Fädchen hat geschrieben: ↑So Jul 01, 2018 16:03
Eine letzte Frage zu dem Thema, die wohl nicht beantwortet wird.
Wird man gezwungen Beamter zu sein? Wenn das so übel ist, kann man doch bestimmt verzichten.
Nein, Niemand wird dazu gezwungen, Beamter zu sein. Genausowenig wie man dazu gezwungen wird in die freie Wirtschaft zu gehen.
Wer heute Beamter wird, der weiß, daß er eine 41-Stunden-Woche hat. Wer z.B. vor 35 Jahren Beamter geworden ist, der wußte, daß er eine 38,5-Stunden-Woche hatte.
Mal eben nach, sagen wir mal 35 Jahren, aus dem Beamtenverhältnis auszusteigen um dann nachversichert zu werden ist nicht für Jeden möglich. Es ist nämlich etwas ganz Anderes ob man nach 10 Jahren als Beamter aussteigt und dann noch 35 Jahre in der freien Wirtschaft arbeitet und sich entsprechende Rentenanwartschaften verdienen kann, oder ob man nach 35 Jahren nachversichert wird.
Der Bruttoverdienst eines Beamten ist niedriger als der eines Arbeitnehmers in der freien Wirtschaft, weil er weniger Abzüge hat. Nachversichert wird der Beamte aber nicht nach dem Bruttoverdienst, den er hätte, wenn er in der freien Wirtschaft gearbeitet hätte, sondern nach dem wesentlich niedrigeren. Was unterm Strich bedeutet: er kann sich schon mal in die Reihe der flaschensammelnden Rentner anstellen, denn seine Rente wird entsprechend niedrig ausfallen. Insbesondere dann, wenn er keinen neuen Job mehr für die letzten 10 Jahre seines Arbeitslebens findet.
Und gerade die Beamten die z.B. in den 1980er Jahren verbeamtet wurden und in 10 oder 15 Jahren in Pension gehen könnten (sofern unsere Regierung nicht noch das Renteneintrittsalter weiter erhöht, weil Vater Staat ja, trotz der angeblich horrenden Überschüsse, weiter sparen will), die sind Anfang bis Mitte 50 und haben sicherlich nicht besonders große Chancen, in der freien Wirtschaft noch einen adäquaten Arbeitsplatz zu finden. Obwohl wir ja angeblich einen Fachkräftemangel haben, beschäftigen die Firmen auch Fachkräfte ja möglichst kostengünstig. Denn auch heute noch gilt: die Firmenbosse hätten am liebsten 20Jährige mit 30jähriger Berufserfahrung, weil die eben günstiger sind.
Letztlich muß man sagen, daß es hier auch darum geht, daß der Staat seinen Arbeitnehmern zugesichert hat, daß die Arbeitszeit wieder verkürzt wird, wenn die finanzielle Misere sich wieder gebessert hat. Angeblich hat sie das ja, aber seine Versprechen muß man ja nicht einhalten. Oder stimmt es gar nicht, daß wir - z.B sogar trotz Flüchtlingskrise - so viel Überschüsse und Geld haben wie noch nie?
Und um die weiteren Fragen zu beantworten, warum ich so angep... war? Weil man von vielen Menschen eben immer wieder zu hören bekommt, daß Beamte ja faul sind. Es kam bei mir nicht so rüber, daß es sich um echte Fragen handelte, sondern ich hatte eher den Eindruck, daß es rhetorische Fragen waren die eigentlich gar keine Beantwortung verlangten sondern nur ausdrücken sollten, dass man Beamte eben nicht unterstützen wolle. Deine oben zitierte Frage ist doch auch nur dieser Art. Oder soll ich davon ausgehen, dass sie ernst gemeint ist?
Wie ich schrieb: wenn ich das falsch verstanden haben sollte, so tut es mir leid. Aber bis dahin hat wohl gar nicht mehr Jeder gelesen.
Übrigens hätten auch Beamte gerne mehr Freizeit um ihren Hobbies zu frönen. Und ja, ich kenne Beamte, die sich in den 1980er Jahren die Zeit bis zur Mittagspause mit einem privaten Telefonanruf bei der Freundin vertreiben mußten. Ich weiß aber, daß diese Zeiten auch bei diesen Personen lange vorbei sind. Genausogut gibt es Arbeitnehmer in der freien Wirtschaft, die während der Arbeitszeit z.B. im Internet surfen oder chatten.
Vater Staat agiert bzgl. seiner Mitarbeiter heute teilweise nicht viel anders als Wirtschaftsbosse es tun. Und sie würden liebend gerne die Mitarbeiter entlassen, wenn sie es könnten. Und das würden sie auch knallhart tun. Einer der Gründe, wieso z.B. das Bundespersonalvertretungsgesetz dem Personalrat weniger Rechte zugesteht als das Betriebsverfassungsgesetz dem Betriebsrat ist wohl überwiegend historisch bedingt, denn als es in Kraft trat, hat sich Niemand vorstellen können, daß Beamte und Angestellte im öffentlichen Dienst mal durchaus genauso unsozial behandelt werden könnten wie Arbeitnehmer gewinnorientierter Unternehmen.
Und in einem Post hieß es, es habe mal Arbeitszeitreduzierung gegeben. Das muß aber wesentlich länger als 35 Jahre her sein. Anfang der 1980er jedenfalls betrug die Arbeitszeit der Bundesbeamten 38,5 Stunden/Woche. 2004 wurde sie auf 40 und 2006 auf 41 Stunden erhöht. Reduziert wurde lediglich das Weihnachtsgeld, nämlich um die Hälfte und das Urlaubsgeld, nämlich um 100%.
Die wenigsten Beamten ab gehobenem Dienst werden wohl am Hungertuch nagen, wenn sie nicht gerade einen verschwenderischen Lebenswandel haben. Und sicherlich haben Beamte auch einige Vorteile die Angestellte nicht haben. Wenn das aber ein Grund ist, um pauschal zu sagen, daß man Beamte nicht unterstützen möchte, dann nenne ich das Neiddebatte.
Mag sein, daß ich überreagiert habe, die Petition hat auch so genug Unterstützer bekommen, daß das Quorum in der vorgegebenen Zeit erreicht wurde. Das bedeutet aber noch lange nicht, dass die Arbeitszeit reduziert wird, es heißt lediglich, daß die Regierung sich mit dem Thema mal befassen muss.
Gruß Uta