Ich versuch's mal an einem Beispiel zu erklären.
Eine relativ "neue" Maschinestrickerin überlegt sich, was sie verarbeiten will, und stößt dabei auf zwei Garne, die ich mal willkürlich aus dem Fischerwolle-Katalog genommen habe.
Garn 1: Qualität "Trachtenwolle", 60 % Schurwolle, 40 % Polyamid, Nadelstärke 3,5-4
Garn 2: Qualität "Merino", 100 % Schurwolle, Nadelstärke 3,5-4.
Unsere Strickerin würde daraus schließen, daß beide Garne auf dieselbe Weise mit derselben Einstellung an derselben Maschine verstrickt werden können. Schließlich ist die Nadelstärke ja auch genau dieselbe.
Vielleicht hat sie (die Strickerin) noch irgendwo gelesen, daß man an der Maschine Nadelstärke mal 2 = Maschenweite nehmen soll. Und so legt sie fröhlich los, probiert mit MW 7 und MW 8 -- und erleidet Schiffbruch. Das Gestrick wird steif wie ein Brett. Und sie schimpft nun aufs Stricken mit Maschine, daß es nicht geht und daß nur Mist dabei herauskommt. Sie wird ihre Maschine verkaufen und wieder mit der Hand stricken.
Was die Strickerin nicht berücksichtigt hat:
Garn 1 hat eine empfohlene Maschenprobe von 20 M und 29 R. Und 20 M auf 10 cm mit einem Feinstricker geht nicht mit MW 7-8. Es geht eigentlich überhaupt nicht, solange man versucht, über jede Nadel zu stricken. Dieses Garn ist ein Fall für den Mittelstricker, und wenn es zehnmal heißt, Nadelstärke 3,5-4 geht auf der Standard-Strickmaschine. (Über jede 2. Nadel gestrickt könnte es klappen. Aber dabei hat man dann diverse Einschränkungen, und für Anfänger würde ich das sowieso nicht empfehlen.)
Mit Garn 2 könnte sie ein brauchbares Ergebnis erzielen, das hat nämlich eine empfohlene Maschenprobe von 24 M und 36 R. Mit MW 7-8 läßt es sich freilich auch nicht verarbeiten, aber mit der allergrößten Einstellung 10.. sollte man ein angenehmes Gestrick bekommen.
Natürlich wird man für jedes Garn, das man noch nie verstrickt hat, erst einmal eine Einstellung finden müssen, die einem gefällt, die das Garn und das Muster, sofern vorhanden, zur Geltung bringt und zum geplanten Modell paßt. Aber es hilft einem dabei nichts, von der Nadelstärke auszugehen. Die ist irreführend und unsinnig, vor allem für Anfänger.
Mit derselben "Einstellung", nämlich Nadel 3,5-4 beim Handstricken, eine Maschenprobe von einmal 20 M und einmal 24 M auf 10 cm zustandezubringen, finde ich schon etwas seltsam.
Keine Strickmaschine dieser Welt schafft es, so verschiedene Maschenprobe mit ein und derselben Einstellung zu stricken. Die Nadelstärke allein ist einfach Murks. Orientiert Euch nicht an ihr, wenn Ihr die optimale Einstellung sucht, sondern orientiert Euch an der Maschenprobe.
In den angelsächsischen Ländern tut man das übrigens. Da gibt es Fingering, double-knit, Aran und chunky, und jede dieser Bezeichnungen steht für einen Maschenproben-Bereich. Siehe z.B.
http://www.lkyarns.com/inventory.html
Zahlreiche Grüße
Kerstin