Fluch und Segen

Es gibt die verschiedensten Ausmalbücher, für jegliches Interesse findet sich etwas Passendes. Zu den eigenartigsten Phänomenen in diesem Zusammenhang gehören für mich Bücher, in denen man Schimpfwörter und Flüche ausmalt. Der therapeutische Nutzen dieser Tätigkeit ist für mich nicht nachvollziehbar. Wenn ich richtig wütend bin, fluche oder schimpfe ich spontan, und danach fühle ich mich besser. Ich hätte keine Lust, meinen Ärger bis zur nächsten Ausmal-Session mit mir herumzuschleppen, um ihn dann malerisch aufzuarbeiten.

Es würde mir auch keinen besonderen Spaß machen, Fäkalausdrücke oder Vulgarismen zu kolorieren, die nicht zu meinem üblichen Sprachgebrauch gehören. Wozu soll das gut sein? Fühlt man sich besser, wenn man ausmalt, was man nicht aussprechen will oder darf? Mir erscheint das eher heuchlerisch als befreiend. Aber vielleicht dient so ein Malbuch auch nur der Provokation.

Selbstverständlich kann man auch genau das Gegenteil malen. Wer befürchten muss, dass seine Umwelt die Verwendung von bunten Stiften und Papier generell als gotteslästerliche Zeitverschwendung ansieht, der wählt Bibelzitate als Motiv und holt sich mit „I am blessed“ oder „Ich bin gesegnet“ die Absolution. Behutsam sollte man natürlich beim Übersetzen vorgehen. „You are special“ würde ich nicht unbedingt übersetzen wollen mit „Du bist schon ziemlich speziell“.

Auch für Atheisten oder philosophisch Interessierte ist gesorgt. Für sie bieten sich aufmunternde Allgemeinplätze an, wie man sie beispielsweise bei Valentina Harper findet:

Everything happens for a reason

Die Illustration ist übrigens aus dem „Ultimate Coloring Book Treasury“, das sich in meinem Besitz befindet. Und nein, ich habe das Buch nicht wegen der klugen Sprüche gekauft, sondern weil ich die Bilder der Co-Autorin Thaneeya McArdle interessant finde.