Die verstrickte Dienstagsfrage 25/2014

Diese Woche fragt das Wollschaf:
Oft ist es so, daß gerade das Modell, in das man sich unsterblich verliebt hat, nicht in der eigenen Größe verfügbar ist.
Insbesondere deutsche Anleitungen sind in ihrem Größenspektrum ja oft sehr eingeschränkt.
Was macht Ihr, wenn Eure Größe nicht dabei ist?
Komplett umrechnen? Wenn ja, “zu Fuß” oder mit einem Strickrechner? Wenn letzteres, welchen benutzt Ihr?
Pi mal Daumen ein paar Maschen mehr oder weniger anschlagen und hoffen, daß es zum Schluß passen wird?
Dickeres bzw. dünneres Garn und Nadeln nehmen?
Ein ähnliches Modell suchen, das in Eurer Größe verfügbar ist?
Zähneknirschend verzichten und etwas anderes stricken?
Ganz was anderes, nämlich…
Vielen Dank an Tichiro für die heutige Frage.

Sehr einfach: Umrechnen. Aus diesem Grund bevorzuge ich Anleitungen, die eine bemaßte Schnittzeichnung haben. An der kann ich nämlich erkennen, was sich der Designer bzw. die Designerin gedacht hat. Daran kann ich auch gleich sehen, ob das Modell mir passen wird, und wenn nicht, wo ich etwas ändern muss. Meine eigenen Maße kenne ich nämlich. Und aus langjähriger Erfahrung weiß ich auch, was an mir voraussichtlich nicht besonders gut aussehen wird oder was ich schlicht unbequem und ungeeignet finde. (Alle runden und weiten Ausschnitt sind gut; Polokragen und Knopfleiste sehen an mir blöd aus. Rollkragen trage ich nicht gern; Reißverschluss am Hals geht gar nicht.) Damit lassen sich schon mal viele Fehlstrickereien und Schrankhüter von vornherein ausschließen.
Eine sorgfältige, selbstverständlich gewaschene Maschenprobe ist bei mir obligatorisch. Da ich häufig die gleichen Garne verwende wie schon in früheren Projekten, ist das übrigens weniger Aufwand, als man meinen möchte. Sehr oft messe ich an einem älteren Kleidungsstück nach, wie denn nun die Maschenprobe nach der dritten oder fünften Wäsche wirklich ist, und wenn ich schon mal dabei bin, kann ich auch gleich fürs nächste Modell Schnitt und Passform verfeinern. Auf früher verwendete Schnitte kann ich jederzeit zurückgreifen, damit sind solche Anpassungen ein Kinderspiel.
Zum Berechnen setze ich seit zwanzig Jahren das Programm DesignaKnit ein. Das eignet sich sowohl fürs Hand- wie auch fürs Maschinestricken. Zuvor habe ich Maschen- und Reihenzahlen von Hand berechnet. Zum Rechnen braucht man übrigens keine Strickkenntnisse, sondern höchstens Mittelstufen-Mathematik. Deshalb kann auch ein Anfänger einen Pullover komplett selbst berechnen, wenn er/sie sich mal kurz auf die Regeln der Dreisatzrechnung besinnt.
Pi mal Daumen ein paar Maschen mehr oder weniger, das geht bei mir gar nicht. Ich fühle mich dabei einfach unbehaglich. Ich ribble auch nicht besonders gern. Das ist, wenn ich zuvor richtig gemessen und gerechnet habe, aber ohnehin kaum jemals nötig. Eine Maschenprobe dauert, wenn’s hoch kommt, eine halbe Stunde, und bei der Gelegenheit kann man gleich feststellen, ob einem das Muster gut von der Hand geht oder das Garn sich angenehm verarbeiten lässt. Wenn schon die Maschenprobe eine Qual ist, dann möchte ich erst recht keinen kompletten Pullover damit stricken.
Dickeres oder dünneres Garn als in einer Anleitung vorgegeben verwende ich häufig, aber natürlich mit angepasstem Schnitt und präziser Maschenprobe. Dann ist es sicherlich nicht mehr das Originalmodell, sondern eine gut passende Adaption.
Dasselbe gilt fürs “ähnliche Modell”. Anleitungen sind Inspiration; ich stricke aber meistens so, dass es mir zusagt. Ob es dann mehr oder weniger abgewandelt ist, spielt für mich keine Rolle.

Was ich in diesem Zusammenhang übrigens nicht nachvollziehen kann: Ein frisch gestricktes Modell passt nicht. Nun sucht die verzweifelte, tieftraurige Strickerin nach einer grundsätzlich neuen Anleitung, statt zunächst das gestrickte Ding genauer zu analysieren und fürs nächste Mal die Fehler (Größe falsch gewählt, Garn ungeeignet, Farbe unkleidsam, Schnitt sitzt nicht, Muster geht nicht auf, Maschenprobe hat nicht gestimmt, …) auszumerzen.
Was auch gern genommen wird: Ein Strickstück wird ohne Maschenprobe begonnen und fällt deutlich zu eng aus. Umgehend wird geribbelt und auf gut Glück mit zwanzig Maschen mehr neu begonnen. Und was passiert? Jetzt ist es deutlich zu weit. Ja, Entschuldigung, aber wie blöd kann man sein? In solchen Fällen liegt es doch auf der Hand, am ersten, zu engen Stück zu messen und rechnerisch zu ermitteln, wie viele Maschen genau man braucht, um die benötigte Breite zu erzielen. Erst danach wird geribbelt. Oder wie handhabt Ihr das?
Wer nicht aus seinen Fehlern lernt, darf sie stets wiederholen und wird höchstens durch Zufall mal etwas wirklich gut Passendes produzieren.

3 Gedanken zu „Die verstrickte Dienstagsfrage 25/2014“

  1. Also ich hab auch schon einen Pullover produziert, der mir nach dem Waschen zu lang und zu breit war. Trotz zuvor gewaschener Maschenprobe! Danach war ich auch tief traurig und hab mich nach anderen Anleitungen umgesehen. Daraus kannst aber Du nicht schließen, dass ich nichts draus gelernt hab. Diesen Satz sehe ich als bodenlose Frechheit von dir. Denn nicht jeder strickt den Pullover neu, nur weil er nich gepasst hat. Ich nähe seltenst ein und dasselbe Schnittmuster mehr wie einmal, dann stricke ich es bestimmt nicht zweimal.

  2. Aber Du kannst, auch wenn Du exakt diesen Pullover nicht noch einmal strickst, etwas draus lernen, nicht wahr?
    Du weißt jetzt, wie sich dieses Garn nach dem Stricken und Waschen verhält. Du weißt, welches exakte Maß Du für einen Pullover benötigst, denn Du kannst nachmessen und abstecken, um wieviel der missglückte Pullover zu groß geworden ist. Du hast auch festgestellt, ob sich das Muster gut oder schlecht stricken ließ, ob Dir die Ausschnittform überhaupt steht und wie die Ärmel sitzen. Dieses gesammelte Wissen kannst Du für zukünftige Modelle verwenden, auch wenn Du diesen Pullover so kein weiteres Mal strickst.
    Und das meine ich mit “Lernen”. Es bedeutet eben auch, Erfahrungen aus einer bestimmten Situation in anderen, nicht identischen Situationen anzuwenden und nicht sofort alles wütend in die nächte Tonne zu treten. Es hat auch mit Kritikfähigkeit zu tun und mit der Bereitschaft, Frustrationen konstruktiv zu verarbeiten.

    Zahlreiche Grüße
    Kerstin

  3. Gebe Dir im Großen und Ganzen recht. Möchte allerdings hinzufügen, dass Maschenproben lügen 😉 Gerade am Anfang hatte ich bei Strick-GAUS große Schwierigkeiten herauszufinden, woran es genau lag, dass der Pulli zu eng, zu weit, zu lang usw, war. Meine MaPro entsprach doch genau der in der Anleitung! Ich habe erst nach genauerem Hinsehen verstanden, dass sich ein halber Quadratmeter Gestrick logischerweise beim Waschen und Tragen anders verhält, als eine MaPro von 15 x 15 cm. 😀 Nur sagt einem das vorher irgendwie keiner. Genauso natürlich die Tatsache, dass eine Pulli in Größe S sich anders verhält, als ein Pulli in Größe XXL.

    Mittlerweile kann ich verschiedene Garntypen und Gestrickarten besser einschätzen, ob sie stärker wachsen z.B. kalkuliere das dann gleich mit ein bei der Berechnung meiner Maschenzahlen. Wenn ich manchen Strickern versuche meine Gedankengänge hierbei zu erklären ernte ich jedoch oft nur ungläubiges Staunen. Für mich scheint die Analyse selbstverständlich, für andere jedoch scheint das ein Fremdwort. Das Stück wandert in die Schublade und man versucht sein Glück am nächsten Modell.

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