Antizyklisch stricken

Zwar sind derzeit sämtliche Strickhefte voll mit angeblich leichten, aber in Wirklichkeit nahezu kiloschweren “Sommerpullovern”, die einen allein schon durch ihr Gewicht ins Schwitzen bringen. Und wo ich wohne, gibt es im Sommer regelmäßig längere Hitzeperioden mit Temperaturen über 30°. Den ersten heißen Tag hatten wir dieses Jahr sogar schon. Trotzdem kann man aber schon mal für den Winter oder auch nur für kühle Sommerabende vorsorgen, indem man Pullover strickt, die mit etwa der Hälfte des Gewichts eines lochgemusterten Sommerschwergewichts aus einer handelsüblichen deutschen Strickzeitschrift auskommen, aber mindestens dreimal so gut wärmen und zudem bürotauglich sind. Trotz Lochmuster.

Dieser Pullover wurde schon Ende April fertig, aber ich hatte ihn schnell in den Schrank geräumt und dann fast vergessen, bis es neulich abends mal wieder recht kalt war:

Pullover mit Rippen-Lochmuster

Gestrickt aus exakt 360 Gramm einer reinen Merinowolle mit einer Lauflänge von 430 Metern auf 100 g, die (denkt Euch hier bitte ein verlegenes Hüsteln) seit Anfang 2001 in meinem Vorrat auf Verwendung wartete. Der Schnitt basiert auf meinem erprobten Langarm-Rundhals-Pullover, die Sorte, die ich am liebsten trage. Das Muster fand ich im Brother Punchcard Pattern Book 5, es ist dort die Nummer 946. Hier noch ein Detailbild:

Rippen-Lochmuster

Obwohl das Buch hauptsächlich Muster für Lochkarten enthält, sind auch einige Muster enthalten, die man ohne jegliche Automatik von Hand arbeitet. Dieses gehört dazu. Eigentlich hat man es hier mit einem simplen 1re-1li-Rippenmuster über neun Maschen zu tun, wobei die Maschen der Nadeln 3 und 7 alle vier Reihen auf die mittlere Nadel umgehängt werden. Zwischen den neun musternden Maschen liegt ein Zwischenraum von neun Linksmaschen; gestrickt wird mit Versatz H. Das Muster lässt sich also ohne großen Aufwand auf jeder Doppelbett-Strickmaschine arbeiten. Man benötigt weder einen Lochmusterschlitten noch spezielle Einstellungen an den Strickschlitten.

Die senkrechten Streifen sind kleidsam und praktisch, wenn man nicht mehr ganz schlank ist. Die Zahl der Linksmaschen zwischen den Streifen kann man je nach Geschmack auch verringern oder erhöhen. Sollte ich das Muster noch einmal stricken, dann würde ich sicherlich darauf achten, keine “angebrochenen” Streifen an den Seitennähten zu haben. Aber auch so ist dies ein bequemes und praktisches Kleidungsstück für den Alltag.

Das sind ZWEI Paar Schuhe

Einige Arbeitskollegen aus einer anderen Abteilung treffe ich gelegentlich beim Bio-Mittagstisch. Eine Kollegin aus dieser Runde ist schwanger und entbindet voraussichtlich im August. Dass es Zwillinge werden, erwähnte sie erst vor kurzem. Wie lange sie noch arbeiten kann, ist ungewiss, weil die Schwangerschaft jetzt schon sehr anstrengend für sie ist. Da reicht die Zeit natürlich nicht für die üblichen “Ulina”-Jäckchen. Aber Babyschuhe waren machbar.

Gestrickt weitgehend nach dieser Anleitung mit der Strickmaschine, wobei ich zwei kleine Modifikationen vorgenommen habe: Zum einen habe ich das vordere, obere Teil so gestrickt, dass der Faden nicht abgeschnitten werden muss, und zum anderen habe ich die Maschen für den oberen Saum hochgehängt und dann mit langen Maschen abgekettet, um den Saum nicht von Hand nähen zu müssen. Dem hübschen Aussehen tut beides keinen Abbruch.

Erstes Paar Babyschuhe

Zweites Paar Babyschuhe

Verarbeitet habe ich pro Paar etwa 110 m Wollmeise-Reste, einmal “Iris Sibirica” mit Bändern in “Sternschnuppe” und fürs zweite Paar “Wellensittichvogelfeder” mit Bändern in (vermutlich) WD “Moses”; so genau konnte ich den Rest nicht identifizieren. Die Bindebänder sind als I-cord gestrickt, über 3 Maschen und 120 Runden.

Etwas Simples

Manchmal möchte man beim Stricken einen relativ schnellen Erfolg erzielen. Perfekt dafür geeignet sind zum einen erprobte Schnitte und zum anderen Garne, die man schon einmal verarbeitet hat, so dass man sich theoretisch sogar die Maschenprobe sparen kann. So war es bei diesem Pullover:

Pullover mit schmalen Zöpfen

Das Material ist eine gut abgelagerte reine Schurwolle von Lanartus, die “Lana 200” (Lauflänge 370 m/100 g), die ich vor *hüstel* 18 Jahren gekauft hatte. Ein nahezu identisches Modell hatte ich vor knapp fünf Jahren schon einmal gestrickt, jedoch waren da die Ärmel ein wenig kurz geraten. Das änderte ich am Schnitt. Der Rest passte, und los ging’s.

Detail Ausschnitt mit Zopfmuster

Die Zöpfe sind eine Art Zeitspar-Version. Sie gehen über jeweils sechs Maschen, getrennt durch je zwei Linksmaschen, und werden alle acht Reihen verkreuzt; nach vier Reihen zwei Zöpfe, nach weiteren vier Reihen die anderen zwei Zöpfe, und dann wieder von vorn. Im Rückenteil sind sie ebenfalls vorhanden. Der Aufwand fürs Verkreuzen hält sich in Grenzen, der Effekt ist trotzdem schön.

Die Linksmaschen neben den Zöpfen habe ich übrigens vor dem Anbringen der Halsblende dezent “hinter” die benachbarten Rechtsmaschen gelegt und mit ihnen zusammengestrickt, damit der Ausschnitt sich nicht zu sehr in die Breite zieht.

Loosey-Goosey wird Luckey-Duckey

Zwar bin ich alles andere als ein Stephen-West-Fan, aber sein Pullover-Entwurf “Loosey-Goosey” schien mir recht spaßig und war vor allem mit dem Grobstricker und dünnem Garn schnell anzufertigen. Und da ich zum vorvergangenen Weihnachtsfest von einer lieben Strickfreundin drei schöne handgefärbte Stränge Sockenwolle bekommen hatte, beschloss ich, genau die nun zu verarbeiten.

drei Stränge Sockenwolle, handgefärbt

So sieht meine Version aus:

lose gestrickter Pullover aus Sockenwolle

Das Original-Modell hat einen V-Ausschnitt, aber da ich generell lieber runde Ausschnitt trage, würde ein Pullover mit V-Ausschnitt bei mir zu oft im Schrank liegen bleiben. Die Ausschnittform war schnell und einfach geändert. Beim Original-Modell fand ich die Art der Blende zwar originell und attraktiv, die Maschenaufnahme dafür gefiel mir aber gar nicht, so löchrig und schlampig. Deshalb habe ich für meine Version das Garn für die Halsblende doppelt genommen und eine dezente, lochfreie Mini-Blende angestrickt. Auch die unteren Bündchen sind mit doppelt genommenem Garn in Sockenwollstärke gestrickt, hier habe ich farbliche passende Reste von anderen Projekten verarbeitet.

Webmuster stricken

Als ich Anfang Oktober die Musterstücke für die MeshCon strickte, ging mir durch den Kopf, wie schön doch ein simples maschinegestricktes Webmuster aussehen kann und dass es sich auch für Kleidungsstücke eignet. Planung, Stricken und Ausarbeitung nahmen dann aber mehr Zeit in Anspruch, als ich zunächst gedacht hatte. Immerhin, jetzt ist der Pullover im Webmuster fertig:

Pullover im Webmuster

Das Basisgarn ist eine dünne reine Schurwolle (800 m/100 g) in Hellblau. Als Webgarn verwendete ich Wollmeise Pure in der Farbe “Blue Bell”, das Muster ist das allereinfachste (Lochkarte 1 bzw. Muster 30 aus dem Stitchworld-Musterbuch). Das Webmuster ist mit einfachem Faden und Maschenweite 5 am Einbett gearbeitet, für die Bündchen habe ich das Basisgarn doppelt genommen.

Der gesamte Pullover ist quer und mehr oder weniger an einem Stück gestrickt, beginnend mit dem linken Ärmel. Die oberen Ärmelmaschen wurden in zwei Hälften abgeworfen, dann hängte ich die Rückenteil-Hälfte wieder auf und schlug die benötigten Maschen für die Seitennaht zusätzlich an. Das Rückenteil wurde dann quer bis zur rechten Seitennaht gestrickt, die Nahtmaschen wurden abgekettet und die Mschen des Ärmelbereichs mit Kontrastgarn abgeworfen.
Das Vorderteil wurde auf dieselbe Weise gestrickt, dann wurde eine Schulternaht geschlossen. Als nächstes kam die Halsblende an die Reihe, hierzu wählte ich die Nr. 17 aus dem Kragen-Buch mit einem Wickelanschlag am Doppelbett:

Detail der Halsblende

Die offenen Maschen der Blende werden im Steppstich auf dem Leibteil festgenäht, das ergibt eine saubere Kante, und man kann darunter perfekt etwaige Unregelmäßigkeiten verstecken, die z.B. bei den Ab- und Zunahmen für die Ausschnittrundung entstanden sind.

Nach dem Schließen der zweiten Schulternaht strickte ich den rechten Ärmel von oben nach unten an. Es ist bei dieser Technik wichtig, alles in derselben Richtung (in diesem Fall vom linken Ärmelbündchen quer bis zum rechten Ärmelbündchen) zu stricken, weil sonst das Muster nicht gleichmäßig verläuft. Zum Schluss strickte ich noch einen kleinen Taillenbund an und schloss die langen Nähte.

Verbraucht habe ich als Basisgarn etwa 250 g 2ply-Wolle (eine Kone, die bei mir schon seit fast 20 Jahren herumlag) und dazu als Webgarn etwa 170 g Wollmeise Pure, d.h. ein Strang reicht nicht ganz.

Von den Nadeln gesprungen

Auch bei mir geht beim Maschinestricken nicht alles glatt. Als ich das Vorderteil dieser Tunika strickte und die zweite Ausschnitthälfte beginnen wollte, hatte ich wohl den Faden nicht richtig eingefädelt, jedenfalls stürzten alle Maschen von den Nadeln in B-Position. Und da ich ein dünnes, glattes Seidengarn relativ locker verstrickte, ribbelten die Maschen praktisch ungebremst abwärts.

Im ersten Moment hätte ich fast geweint. Dann entfernte ich alle Gewichte, warf das Teil komplett von den Nadeln, also auch die stillgelegten Ausschnittmaschen, die noch an der Maschine hingen, und legte es auf den Boden. Nein, darauf herumgetrampelt bin ich nicht. Aber fast eine Woche lang lag es unberührt vor meiner Strickmaschine, denn ich hatte weder Zeit noch Lust, mich weiter damit zu beschäftigen. Immerhin konnte ich mir in dieser Zeit in Ruhe überlegen, ob und wie dieses Teil überhaupt noch zu retten war.

Letztlich hängte ich die Maschen am Beginn des glatt-rechts-Bereichs wieder auf die Nadeln, weit genug unterhalb der gefallenen Maschen. Dann ribbelte ich das Gestrick oberhalb der aufgehängten Maschen auf und wickelte es auf eine Kone. Am folgenden Tag strickte ich den oberen Teil neu, und diesmal ging alles gut. Auch beim Anstricken der Blenden gab es keine weiteren Probleme. Nun ist diese Tunika fertig, und ich warte sehnsüchtig auf etwas wärmeres Wetter, damit ich sie mal über einem langärmeligen T-Shirt tragen kann.

Tunika aus Posh Olivia

Nun wisst Ihr also, dass auch mir mal die fast fertigen Teile von den Nadeln hüpfen, und dass ich das nicht lustig finde.
Was sich für mich in solchen Fällen bewährt hat:
1. Ruhe bewahren und bloß nicht am Strickstück zerren.
2. Gewichte entfernen und das Teil von der Maschine nehmen. Der Kamm kann ggf. drin bleiben, möglicherweise braucht man ihn später noch, wenn es neu gestrickt wird.
3. Niemals versuchen, die Maschen der obersten Reihe einzuhängen. Das geht schief, weil sie beim leisesten Zug weiter aufribbeln.
4. Stattdessen sollte man eine Reihe auswählen, die
a) weit genug unterhalb der aufgeribbelten Maschen ist und
b) im Muster und/oder bei der Reihenzahl gut identifizierbar ist. In meinem Fall bedeutete das, die Maschen oberhalb des Rippenmusters einzuhängen und dann die paarundfünfzig Reihen darüber aufzuribbeln.
5. Beim Aufhängen der Maschen eventuelle Formgebung berücksichtigen. Als mir das Teil von der Maschine fiel, waren die Abnahmen für die Armausschnitte schon beendet, und ich hatte 62 M links und rechts der Mitte in Arbeit. Aber für den Neustart musste ich je 82 M links und rechts in Arbeit stellen (und beim Weiterstricken dann die Abnahmen natürlich erneut vornehmen).

Noch ein paar Details zur Tunika:
Eigenes Design, gestrickt aus knapp 150 g Posh “Olivia” (100 % Maulbeerseide, 750 m/100 g) Farbe “Do Si Do” auf Brother KH 965, MW 5. Die Blenden sind mit dem KG und MW 4 gearbeitet. Das Lochmuster ist Nr. 149 aus dem Stichworld Pattern Book III (das für die KH 970).

Antiquität

Beim Entrümpeln einer Wohnung stieß ich auf dieses:

kleiner Kanister Ballistol Spezialöl

Ein kleiner Kanister Ballistol Klever Spezialöl. Auf dem Beipackzettel ist als Hersteller F.W. Klever Chemische Fabrik, D-509 Leverkusen angegeben. Ich schätze mal, das Fundstück stammt aus den 60er Jahren.
Was ich damit mache? Ich öle meine Strickmaschinen damit! Laut Beipackzettel altert das Öl nicht, verharzt nicht und trocknet nicht ein. Ich kann’s nur bestätigen; der Inhalt des Kanisters ist wie neu, dünnflüssig und voll gebrauchsfähig. Damit werde ich sicher eine ganze Weile auskommen, selbst wenn ich es großzügig verwende. 🙂

Kleine Freuden

Manchmal ist es ja absurd, über welche Kleinigkeiten man sich riesig freuen kann. 🙂 Heute rief mich Maren K. aus dem Norden an. Sie versucht, die Restbestände von Dodos Strickschule in gute Hände zu vermitteln. (Keine Hektik, die Rosinen sind bereits herausgepickt, z.B. von der übereifrigen Dame aus W., die sich, wie mir berichtet wurde, mit sicherem Griff sofort sämtliche verfügbaren Nadelsperrschienen und Doppelbettgewichte unter den Nagel riß, Dodos Sohn dafür ein Trinkgeld in die Hand drückte und von dannen zog. Man konnte sie gerade noch daran hindern, auch noch alle verbliebenen Ersatznadeln und verschiedene andere lose Teile mitgehen zu lassen.)

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Also, Maren versucht, die Reste gegen ein kleines Entgelt an solche Leute zu vermitteln, die etwas damit anfangen können und nicht nur fleddern wollen. Speziell sind noch mehrere Formstricker vorhanden, die ein neues Zuhause gebrauchen könnten. Formstricker, das sind die Dinger mit den großen Folien, auf die man den gewünschten Schnitt in Originalgröße aufzeichnet, dann stellt man das Gerät gemäß Maschenprobe ein, und der Schnitt läuft sozusagen während des Strickens mit. Besonders gut sind sie nach meiner Erfahrung für Intarsiendesigns geeignet. Man malt einfach die Form auf, die man einstricken will, und voilà, genau so kommt sie dann heraus, ohne Rechnen und ohne Verzerrungen. Falls jemand also günstig so ein Gerät haben will, einfach bei mir melden, ich vermittle dann den Kontakt zu Maren.

Und was hat nun bei mir eine Riesenfreude ausgelöst? Vor einem halben Jahr habe ich den Doppelbett-Arbeitshaken meines Grobstrickers kaputtgemacht, übrigens bei dem Versuch, den farbigen Markierungsring von einem gebrauchten elektrischen Zahnbürstchen zu lösen, um ihn auf ein neues Bürstchen zu setzen. Seither benutze ich vorsichtshalber ein unmarkiertes Bürstchen und kann allen elektrischen Zahnbürstenbenutzern nur dringend davon abraten, Strickmaschinenwerkzeuge zweckzuentfremden.
Kommen wir auf den Punkt: Unter den vielen kleinen Teilen fand Maren just das, was mir fehlte. Sobald es mich das nächste Mal wieder in den Norden verschlägt, wartet dort auf mich ein neuer Arbeitshaken, und mein Werkzeug ist dann wieder komplett.

Man sollte zählen können…

Der Graue (ich habe bereits erwogen, ihn “Gandalf” zu nennen, aber das entspricht nicht wirklich seinem Naturell) macht Fortschritte. Es wurde Zeit für die Halsblende.

Halsblenden stricke ich am liebsten nach Methode 13 aus dem Kragen-Buch. Dafür berechnet man zunächst, wieviele Maschen man benötigt, strickt dann die Blende in der gewünschten Höhe und hängt danach die Halskante von Vorder- und Rückenteil dazu, um zu guter Letzt alles zusammen abzuketten.

Ich zählte die Rückenteil-Maschen ab: 30 offene Maschen und je zwei pro Seite bis zur Schulter, machte 34 Maschen. Ich zählte gleichermaßen die Vorderteil-Maschen ab: 26 offene Maschen, plus 12 für die seitlichen Kanten. Fröhlich schlug ich 72 Maschen an und strickte meine Blende, die Kanten dazugehängt und — dumm aus der Wäsche geguckt: Es fehlten exakt 12 Maschen bei der Blende. Ich hatte in meinem Elan nämlich nur eine Seitenkante mitgerechnet.
Jetzt darf ich alles wieder aufziehen.

Manchmal habe ich den Eindruck, dieser Pullover sträubt sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen seine Entstehung.