Das große Stricken Veräppeln

Es ist nicht das erste Mal, dass der Smoothie-Hersteller Innocent Strickerinnen dazu aufruft, kleine Mützchen zu stricken, mit denen die Smoothie-Flaschen im Regal optisch aufgepeppt werden sollen. Als Anreiz will das Unternehmen pro Mützchen 20 Cent ans DRK spenden.

Nein, was für eine großartige Idee! Analysieren wir das mal.
Verbrauch für ein Mützchen: Geschätzt fünf Gramm, das ergibt bei 6fach-Sockenwolle in Markenqualität bei einem Garnpreis von etwa 9 Euro/150 g etwa 30 Cent pro Stück; bei günstiger 4fach-Sockenwolle zu 3,60 Euro/100 g wären es etwa 18 Cent. Sonderzubehör wie Fransengarn oder Perlen lassen wir mal außen vor.

Nun kommt noch das Porto hinzu. Ein Standardbrief kostet (derzeit noch) mindestens 60 Cent, wirtschaftlicher wäre es deshalb wohl, eine Sammelsendung in einem Großbrief zu 1,45 Euro mit maximal 500 g Gewicht zu verschicken. Gut gestopft können wir, sagen wir mal, 50 Mützchen darin unterbringen, die einen Garnwert von durchschnittlich 24 Cent haben, macht einen Wert von 12 Euro in Wolle, zuzüglich Porto von 1,45 Euro, insgesamt also 27 Cent pro Mützchen, die Strickzeit wohlgemerkt nicht mitgerechnet. Für diese 27 Cent, die bei Wahl eines teuren Garns und eines ebensolchen Versands durchaus auch zehnmal so hoch sein könnten, zahlt Innocent nun 20 Cent ans DRK. 7 Cent sind also für die Tonne, Eure Zeit sowieso und die Mützchen letztlich auch, denn was will man sonst mit den Dingern anfangen? Für Eierwärmer sind sie zu kurz, für Fingerpuppen zu breit, und die Barbie-Puppen haben auch nur je einen Kopf.

Diese Rechnung geht auch nur deshalb einigermaßen auf, weil ich in meinem Beispiel einen günstigen Versand gewählt habe. Wenn man Kleinstmengen verschickt, wird es wesentlich teurer; den größten Teil der Kosten streicht dabei übrigens die Post ein. Das gilt erst recht, wenn zweimal verschickt wird, einmal von der Strickerin ans DRK und dann nochmals von dort (hier natürlich mit sparsamster Versandart) an Innocent.

Liebe Strickerinnen, hier mein Vorschlag: Ihr tut Euch zu einer Gruppe von vier oder fünf Personen zusammen und spendet gemeinschaftlich fünf Euro ans DRK (oder an Ärzte ohne Grenzen, die das Geld zur Zeit ebenfalls gut gebrauchen können). Die Überweisung übernimmt eine von Euch, die kostenloses Online-Banking betreibt. Statt Minimützchen als Marketing-Gag für ein profitorientiertes Unternehmen strickt Ihr eine Mütze oder ein Paar Fäustlinge für das Flüchtlingsheim, ein beliebiges Altersheim oder die Obdachlosenhilfe in Eurer näheren Umgebung. Die fertigen Teile könnt Ihr bei den entsprechenden Unterstützungsstellen abgeben. Damit hättet Ihr genau so viel oder sogar noch mehr Strickspaß, würdet aber einen wesentlich höheren Wirkungsgrad erzielen und deutlich weniger Müll fabrizieren.

Na, jemand interessiert?

11 Gedanken zu „Das große Stricken Veräppeln“

  1. Zu deinem Artikel kann ich nur voll und ganz zustimmen!

    Ich habe mir auch schon über den (Un-)Sinn der Aktion Gedanken gemacht.
    Ist ja schon nett, eine solche Aktion ins Leben zu rufen, aber ich halte das auch für Blödsinn.

    Erstens: die Mützchen werden garantiert im Müll landen.
    Zweitens: weiß man, ob wirklich soviel Geld beim DRK ankommt, wie tatsächlich ankommen sollte?
    Drittens: direkt spenden geht schneller, sicherer und man kann seine (Strick-/Häkel)Zeit anders nutzen.

    Der einzige Vorteil der Innocent-Aktion: man kann Restewolle verbrauchen. Aber da gibt es sicher noch andere, sinnvollere Möglichkeiten!

    LG Steffi

  2. Liebe Kerstin,
    den gleichen Gedanken hatte mein Vater schon, als er – im hohen Alter von 82 – die ebenaos alten weiblichen Verwandten Socken stricken sah, und zwar für den Verkauf – der Erlös sollte an die Kirchengemeinde gehen.
    Die Socken wurden auf dem Dorfmarkt für 8 Euro das Paar verkauft. Angesichts der Rechnung, die sich da auftut, war mein Vater der Meinung, die Damen sollten lieber das Wollgeld spenden und in ihrer Freizeit was Sinnvolleres tun.
    Beliebt gemacht hat er sich damit nicht.
    Viele Grüße!

  3. Alle Jahre wieder… habe ich mehr oder weniger das, was du geschrieben hast, ebenfalls zu dieser Aktion geäußert. 😛

    Beliebt habe ich mich damit nie wirklich gemacht, aber solange man auch nur ein paar Leute zum Nachdenken bringt, was sie da eigentlich wie (unsinnig) unterstützen, lohnt es sich!

    LG
    Jaden

  4. Danke für Eure Kommentare. Anna, Dein Vater hat völlig recht; auch Spendenaktionen sollte man auf Wirtschaftlichkeit überprüfen, sonst kann man das Geld gleich in die Tonne treten. Große Organisationen, die Mitglieder des Spendenrats sind, müssen ihre Mittelverwendung transparent belegen und bestimmte Standards einhalten. Was jedoch im Vorfeld geschieht, wird nicht überprüft, und nicht nur in diesem Fall werden gutgläubige Menschen immer wieder ausgenutzt, sei es für alberne Marketing-Gags oder als Beschäftigungstherapie.
    Ihr könnt übrigens sicher sein, dass Innocent seine großzügige Spende von der Steuer absetzen wird!

  5. naja – siehst mal so. Es verdienen viele dran. Die Mützchenstrickerinnen haben Spaß und die Wolle wird nicht extra dafür gekauft. Da sind doch immer Reste da. Ich finde die Milchmädchenrechnung bissel daneben. Wer es nicht will, soll sich nicht daran beteiligen – und gut.
    Denn frohes Knitteln noch.

  6. Hallo liebe Community

    wir finden es toll, dass Ihr Euch mit unserer Aktion “Das Große Stricken” auseinander gesetzt habt und Euch einige Gedanken um die Spendenaktion gemacht habt. Wir halten sehr viel von Menschen, die die Dinge etwas mehr hinterfragen und kritisch betrachten. Gerne möchten wir Euch zu einigen Punkten etwas genauer Info geben um Missverständnisse auszuräumen.

    Erstmal freuen uns über jeden der gemeinnützig spendet. Das Große Stricken ist dafür eine tolle Plattform und natürlich ist die Aktion freiwillig. Genauso freuen wir uns, wenn das Geld direkt an das DRK gespendet wird. Der Gedanke dieser Aktion ist es hilfsbedürftige ältere Menschen mit ein wenig Wärme zu unterstützen. Hierfür werden Besuchsdienste, Seniorentreffs und viele weitere Aktionen organisiert, die somit soziale Wärme geben, welche älteren Menschen sehr oft fehlt.
    Viele Menschen möchten gerne spenden, haben aber dafür nicht die finanziellen Mittel. Dafür sind sie aber oft begeisterte Stricker und haben Restwolle, die sie für das Stricken kleiner Mützchen verwenden können. Somit können auch Menschen, etwas zu einem guten Zweck beizutragen, die sonst vielleicht nichts spenden könnten.

    Dies beatwortet auch Euren Punkt, dass die Produktion der Mützchen und der Versand mehr als 20 Cent ausmacht. Für das Stricken der kleinen Mützchen können Wollreste verwendet werden. Auf Anfrage senden wir den Strickern auch gerne ein kleines Paket mit Wolle zu, welche auch wir als Spenden erhalten haben. Dazu einfach eine E-Mail an Hallo-Inbox oder Adresse am Telefon angeben.
    Manche DRK stellen stricken auch mit und nehmen die Mützchen direkt an. Die Post hat sich leider noch nicht erweichen lassen uns hier zu unterstützen.

    Ebenso kann ein Mützchen mehrmals spenden, denn es gibt die Möglichkeit, die Mützchen jedes Jahr erneut einzusenden. Die Mützchen werden aber auch liebend gern als Eierwärmer oder als Barbiemützchen verwendet. Inspirationen zur Wiederverwendung findet Ihr auf unserer Website: http://www.dasgrossestricke

    Zusätzlich fallen erhebliche Kosten für die Planung und Logistik an, die innocent komplett übernimmt. Die Spende wird trotzdem 1:1 abgegeben (es werden KEINE Kosten abgezogen).

    Auch in diesem Jahr ist es unser Ziel, so viele Mützchen wie möglich zu bekommen um eine möglichst hohe Spendensumme zu erreichen.
    Wir freuen uns hier über jede Hilfe.
    Ich hoffe wir konnten Euch mit diesen Informationen noch etwas mehr Auskunft über „Das große Stricken“ geben.

    Vielen lieben Dank nochmals, dass Ihr Euch so stark mit unserer Aktion auseinandersetzt.

    Alles Liebe,
    innocent

  7. Die immensen Kosten für die zahlreichen Werbespots könnten eingespart und direkt gespendet werden. Wie viel kostet noch gleich ein 15-sekündiger Werbespot? 10.000 Euro? Wenn 1 Strickmützchen 20 Cent erbringt… Na ja, rechnen kann man ja selbst. Ich mag die smoothies von Innocent, aber diese Altion ist für mich vielmehr eine gute Imagekampagne/ PR.

    Liebe Grüße

  8. Hurra – endlich Gleichgesinnte – und ich befürchtete schon, ich sei mit meiner Meinung – dass diese Aktion nur ein Riesenmarketinggag und Erfolg für Innocent ist – allein.

    Und wenn ich dann noch lese, dass es Strickerinnern gibt, die bis zu 1.000 Mützchen produzieren wollen, raufe ich mir die Haare.

    Ich stricke wieder Socken für andere caritative Zwecke. Da gehen die Socken an Obdachlose, die dann hoffentlich mit warmen Füßen durch den Winter kommen und gespendet wird natürlich auch noch in bar und Zeit für alte Menschen haben ist wichtiger als Mützchen für kühlpflichtige und teure Smoothies stricken. Der Text von Innocent geht komplett am Thema vorbei!

    Der Hinweis auf den teuren Werbespot ist brillant – das Geld direkt gespendet und es wäre vielen geholfen.

  9. Ich weiß nicht, was falsch daran sein soll, habe mit den Patientinnen und Patienten meiner Demenzstation in unseren Therapiegruppen Mützchen hergestellt, natürlich nur aus Restwolle-alle hatten Freude daran, keinem außer mir sind Kosten entstanden,(für Porto) wo soll das Problem sein. Habe es mir selber ausgesucht. Ich spende auch so an verschiedene Einrichtungen-warum also nicht auch auf diese Art. Es wurde von mir niemand gezwungen dran teilzunehmen, aber die die mitgemacht haben, waren mit Freude dabei.

  10. Mir wurde gerade so ein Paket mit 100g Polywolle zugeschickt. An die Unwirtschaftlichkeit hatte ich spontan gar nicht gedacht. Eher daran daß gelangweilte Omas die eh nix zu tun haben für diese Firma kostenlose Werbung machen sollen. Wenn ich 10,- spende dann haben alle mehr davon und ich kann aus guter Wolle direkt etwas nützliches stricken.

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