Das Wollschaf fragt heute:
Fällt euch auch auf, dass die Strick-Anleitungen immer länger werden? Selbst Anleitungen für einfache Strickstücke umfassen mittlerweile mehrere Seiten. Was haltet ihr davon?
Vielen Dank an Michaela für die heutige Frage!
Bei Anleitungen aus deutschen Zeitschriften passiert einem das eher nicht. Die sind relativ kurz und knapp verfasst, enthalten fast immer ein bemaßtes Schnittschema und, wenn ein Muster verwendet wird, auch ein Diagramm desselben. Langatmige und wortreiche Erläuterungen spart man sich schon aus Platzgründen. Als fortgeschrittene Strickerin, der man nicht mehr jede Masche einzeln vorstellen muss, finde ich das sehr sympathisch.
Schwieriger ist es bei (meistens englischen) Einzelanleitungen, die man z.B. als PDF kauft. Wenn ich mir die wirklich relevanten Informationen mühsam aus fünf Seiten Text extrahieren oder eben diese Menge an Seiten komplett ausdrucken muss, um alles Wichtige beieinander zu haben, dann finde ich das lästig und nicht besonders ökonomisch. Druckertinte ist teuer, und Papier kostet Bäume. Geht es wirklich nicht anders?
Früher blieb einer Strickerin nichts anderes übrig, als über einer kryptischen Anleitung so lange nachzudenken, bis sie verstand: “4×1 M in jeder 8. R abn” heißt nicht, je acht Maschen verteilt in jeder der vier nächsten Reihen abzunehmen. Viele moderne junge Strickerinnen scheinen mir da weniger grübelfreudig. Statt zuerst mal das eigene Hirn einzuschalten, fragen sie lieber in fünf verschiedenen Internet-Foren nach, was da wohl gemeint sein könnte (und wundern sich dann, dass sie sieben verschiedene Antworten bekommen).
Da ich selbst schon Anleitungen verfasst habe, kenne ich aber auch das Dilemma, in dem man sich als “Designer” befindet. Bevor man riskiert, dass ein Strick-Neuling sich in der Anleitung verheddert, beschreibt man lieber ausführlich, wie z.B. drei Maschen mit aufliegender Mittelmasche zusammengestrickt werden, sonst riskiert man haufenweise E-Mail-Anfragen von ratlosen Strickerinnen und verbringt die Feierabende mit Troubleshooting für andere statt mit Stricken für sich selbst.
Mein Wunsch wäre, dass Strickerinnen eine knapp gefasste Anleitung erst einmal als Herausforderung sehen, sich und ihre Strick-Fähigkeiten weiterzuentwickeln. Nicht jede Masche muss im Detail beschrieben werden, und vieles kann man sich mit etwas gesundem Menschenverstand und ein wenig Geduld zusammenreimen. Davon würden alle profitieren. Der Verbrauch von Papier und Druckertinte ginge zurück, die allgemeine Strick-Intelligenz würde steigen, und die Befriedigung darüber, selbständig eine Lösung fürs Strickproblem gefunden zu haben, wäre signifikant erhöht.