YAL = Yarn-a-Long

Bei einem Knit-a-Long stricken alle Teilnehmer nach derselben Anleitung. Bei einem Yarn-a-Long stricken nicht nur alle nach derselben Anleitung, sondern auch mit dem gleichen Garn. Das Ergebnis ist der pure Konformismus.

Ich muss etwas ausholen. Vor zwei Monaten erfuhr ich von Stephen Wests jährlichem Yarn-a-Long. Man bekommt drei funkelnagelneue Anleitungen von ihm und dazu außerdem die vom Meister eigens für diese Anleitungen ausgewählten Garne in der benötigten Menge. Ich konnte nicht widerstehen und bestellte. Immerhin hat man dadurch die Möglichkeit, Garne auszuprobieren, die man sonst sicherlich nicht in die Hand bekommen hätte. Zudem ist das „Glittering Snowscape“ Tuch gar nicht so übel ausgefallen, auch wenn ich einiges anders gemacht hätte als Herr West.

Ende April kam das erste Garnpäckchen bei mir an, zwei Stränge „Yak Single“ von Qing Fibre à 120 g bzw. 480 m, ein Strang in einem sehr grauen Mauve, der andere in Pink-Lila-Goldgelb. Nun bin ich weder ein Fan von Grau noch von Lila; und bei Pink gehe ich konform mit meiner früheren Hamburger Schneiderin: Es ist die aufdringlichste Farbe, die ich mir vorstellen kann, fast schon vulgär, auch wenn es die Lieblingsfarbe von Millionen kleiner Prinzessinnen ist. Vollkommen glücklich bin ich also, im Gegensatz zu wahrscheinlich 99 % der West-Strickfans, eher nicht mit seiner Farbwahl. Immerhin verursacht die aktuelle Kombination nicht solche Augenschmerzen wie der bissige „Bubbly Blossoms Shawl“ vom vergangenen Jahr in Shocking Pink, Lachsrosa und Sonnengelb. Was für ein Glück, dass ich mich daran nicht beteiligt habe; ich wäre schier erblindet.

Am 3. Mai wurde die Anleitung verteilt, und pflichtbewusst machte ich mich an die Arbeit. Das Rippenmuster mit verschränkten Maschen ging mir gut von der Hand; das Smok-Muster nicht ganz so. Mich irritiert(e) vor allem, dass beide Muster in keiner Weise miteinander harmonieren. Das Rippenmuster hat, strickt man es symmetrisch, genau eine Mittelmasche. Das kann sowohl die rechts als auch die links erscheinende sein. Das Smok-Muster hingegen benötigt zwingend zwei linke Mittelmaschen, wenn es symmetrisch sein soll.

Ja, ich bin ein Symmetrie-Junkie und teile Muster gern von der Mitte her auf. Aber ein Muster mit einer Mittelmasche und eins mit zwei Mittelmaschen im selben Strickstück lassen sich überhaupt nicht gemeinsam zentrieren. Mich stört so etwas, aber Herr West nimmt, wie auch seine Fan-Gemeinde, derlei Diskrepanzen anscheinend gar nicht wahr. Auch einen optisch angenehmen Übergang von einem Muster zum anderen gibt es nicht; nicht einmal für zwei, drei sauber trennende Krausreihen hat die Kreativität gereicht. Stattdessen werden beide Muster so lieblos aneinandergeklatscht wie Stacheldraht und Schokopudding.

Mittlerweile bin ich beim zweiten Strang, dem bunten, und ich hoffe inständig, dass die Abschnitte der verschiedenen Farben lang genug sind, um das modifizierte Pfauenschweifmuster zur Geltung zu bringen. Falls nicht, wird es nur etwas fleckig Geripptes.

Natürlich lässt sich über Geschmack nicht streiten, und bei Stephen Wests Produktivität kann er wahrscheinlich auf vieles, was Menschen wie mich irritiert, keine Rücksicht nehmen. Vielleicht bin ich auch zu konservativ in meinen Farbvorlieben, obwohl ich mir das kaum vorstellen kann. Vor kräftigen Farben und Kontrasten scheue ich bei meiner Kleidung wirklich nicht zurück; ich bevorzuge allerdings harmonische Kombinationen. Und angesichts des nicht eben günstigen Preises für Garne und Anleitungen lautet mein Fazit schon jetzt: Dies sind für mich zwei YALs in einem, nämlich der erste und der letzte.

2 Gedanken zu „YAL = Yarn-a-Long“

  1. Bedauerlich, dass man sich bei einem derart teuren YAL nicht mal die Farben aussuchen darf. Das würde dem Design keinen Abbruch tun, den Gewinn von Herrn West würde es auch nicht schmälern und man könnte Farben nehmen, die zusammen- und zum eigenen Geschmack passen.
    Die vorgegeben Farben sehen für mich ein bisschen so aus, als hätte man Ladenhüter loswerden wollen…

    1. Angeblich wurden die Farben eigens für den YAL von Hand gefärbt. 🙂
      Vermutlich geht der Meister davon aus, dass die meisten seiner Fans ohnehin keinen nennenswerten eigenen Geschmack haben, so dass es besser ist, wenn man ihnen gar nicht erst eine Wahl lässt. Ich stricke das Ding fertig und schaue dann, wem ich damit eine Freude machen kann.
      Das Garn fürs zweite Projekt ist schon angekommen, je ein Strang (aus meiner Sicht völlig normales) 4fach-Sockengarn von Mominoki in Türkis, Marine und Graublau, aber natürlich wieder handgefärbt. 😀

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