Die verstrickte Dienstagsfrage Woche 21/2015

Diese Woche fragt das Wollschaf:
Strickschrift oder das Muster reihenweise in Worten beschrieben – was ist Dir lieber und warum?
Gibt es ggf. bestimmte Arten von Strickschriften, die Du bevorzugst?
Was machst Du, wenn Dein Wunschmodell keine Strickschrift bzw. keine Beschreibung in Worten hat? Durchkämpfen, umändern oder ganz verzichten?

Wenn irgend möglich, bitte Strickschrift beziehungsweise Diagramm. Da kann man schon vor dem Anschlagen visualisieren, wie sich beispielsweise ein Lochmuster aufbaut. Und wenn man einen Fehler hineingestrickt hat, findet man ihn wesentlich schneller, wenn aus dem Diagramm ersichtlich ist, wie z.B. Abnahmen oder Lochreihen verlaufen müssen. “Textaufgaben” finde ich unpraktisch und mühsam, schon weil man sich da nicht gut eine Linie auf die Reihe legen kann, die gerade in Arbeit ist, und weil der Aufbau eines Rapports nicht sofort erkennbar ist.

Welches “Alphabet” für eine Strickschrift verwendet wird, ist mir dagegen weitgehend egal, solange die Zeichen verständlich erklärt und in sich schlüssig sind. Ich habe meine ersten Strickerfahrungen mit der Burda-Strickschrift gemacht, die bei manchen Zeichen und Maschen-Manipulationen durchaus nicht intuitiv ist. Aber sie war seinerzeit sehr verbreitet; man lernt es schnell, sie zu lesen; und es können wirklich alle denkbaren Maschenvarianten damit abgebildet werden. Mir gefallen auch die japanischen Strickschriften gut. Ich habe mehrere japanische Musterbücher, die alle einen einheitlichen “Zeichensatz” haben, und darin werden auch komplexe Strickvorgänge mittels Zeichnungen erklärt. Wenn jemand jedoch meint, partout eine exotische Strick-Geheimschrift selbst erfinden zu müssen, um etwas ganz Besonderes vorweisen zu können, dann kann seine Anleitung mir gestohlen bleiben.

Modelle ohne Strickschrift, die also nur in Worten beschrieben sind, stricke ich ungern oder gar nicht. Bevor ich mir fünf Seiten Textwüste ohne Strickschrift oder Schnittschema antue, denke ich mir lieber selbst etwas Eigenes mit ähnlicher Anmutung aus. Das ist dann vielleicht nicht das Original, aber einfacher und überschaubarer zu stricken und meistens noch mit besserer Passform, da von vornherein für meine eigenen Maße berechnet.

Antizyklisch stricken

Zwar sind derzeit sämtliche Strickhefte voll mit angeblich leichten, aber in Wirklichkeit nahezu kiloschweren “Sommerpullovern”, die einen allein schon durch ihr Gewicht ins Schwitzen bringen. Und wo ich wohne, gibt es im Sommer regelmäßig längere Hitzeperioden mit Temperaturen über 30°. Den ersten heißen Tag hatten wir dieses Jahr sogar schon. Trotzdem kann man aber schon mal für den Winter oder auch nur für kühle Sommerabende vorsorgen, indem man Pullover strickt, die mit etwa der Hälfte des Gewichts eines lochgemusterten Sommerschwergewichts aus einer handelsüblichen deutschen Strickzeitschrift auskommen, aber mindestens dreimal so gut wärmen und zudem bürotauglich sind. Trotz Lochmuster.

Dieser Pullover wurde schon Ende April fertig, aber ich hatte ihn schnell in den Schrank geräumt und dann fast vergessen, bis es neulich abends mal wieder recht kalt war:

Pullover mit Rippen-Lochmuster

Gestrickt aus exakt 360 Gramm einer reinen Merinowolle mit einer Lauflänge von 430 Metern auf 100 g, die (denkt Euch hier bitte ein verlegenes Hüsteln) seit Anfang 2001 in meinem Vorrat auf Verwendung wartete. Der Schnitt basiert auf meinem erprobten Langarm-Rundhals-Pullover, die Sorte, die ich am liebsten trage. Das Muster fand ich im Brother Punchcard Pattern Book 5, es ist dort die Nummer 946. Hier noch ein Detailbild:

Rippen-Lochmuster

Obwohl das Buch hauptsächlich Muster für Lochkarten enthält, sind auch einige Muster enthalten, die man ohne jegliche Automatik von Hand arbeitet. Dieses gehört dazu. Eigentlich hat man es hier mit einem simplen 1re-1li-Rippenmuster über neun Maschen zu tun, wobei die Maschen der Nadeln 3 und 7 alle vier Reihen auf die mittlere Nadel umgehängt werden. Zwischen den neun musternden Maschen liegt ein Zwischenraum von neun Linksmaschen; gestrickt wird mit Versatz H. Das Muster lässt sich also ohne großen Aufwand auf jeder Doppelbett-Strickmaschine arbeiten. Man benötigt weder einen Lochmusterschlitten noch spezielle Einstellungen an den Strickschlitten.

Die senkrechten Streifen sind kleidsam und praktisch, wenn man nicht mehr ganz schlank ist. Die Zahl der Linksmaschen zwischen den Streifen kann man je nach Geschmack auch verringern oder erhöhen. Sollte ich das Muster noch einmal stricken, dann würde ich sicherlich darauf achten, keine “angebrochenen” Streifen an den Seitennähten zu haben. Aber auch so ist dies ein bequemes und praktisches Kleidungsstück für den Alltag.

Muttertagsgeschenk

Wie erhofft konnte ich die “Lazy Lulu” am Donnerstag vergangener Woche fertigstellen, dann spannen und pünktlich zum Muttertag verschenken.
Hier ist ein Bild, das einen Eindruck des fertigen Schals gibt:

Lazy Lulu, fertig

Das Wichtigste ist, dass meine Mutter sich sehr darüber gefreut hat. Zumindest sagte sie mir das am Telefon. 😉

Die Lazy Lulu ist ganz sicher nicht das letzte Modell von Birgit Freyer, das ich gestrickt habe. In meiner Wundertüte vom Dezember liegt noch die Anleitung für das Tuch “Dolce Vita”. Das muss aber noch ein Weilchen warten, mindestens bis die nächste “Ulina” fertiggestellt ist. Der werdende Vater hat mir vor drei Tagen per SMS mitgeteilt, ob es ein Junge oder ein Mädchen wird, so dass ich nun weiß, auf welcher Seite die Knopfleiste liegen muss. Verraten darf ich das natürlich nicht, denn es ist ja sein Geheimnis, nicht meines.

Die verstrickte Dienstagsfrage Woche 19/2015

Diese Woche fragt das Wollschaf:
Eine gute Fee will Dir drei Wünsche erfüllen – egal was, die einzige Bedingung: Die Wünsche müssen etwas mit stricken/häkeln zu tun haben.
Was wünscht Du Dir?

Tatsächlich habe ich nur zwei Wünsche:
Erstens wünsche ich mir, dass Brother wieder Strickmaschinen und Zubehör produziert, und das in derselben guten Qualität wie früher. Dann müsste man sich keine Sorgen um eventuell fehlende Ersatzteile machen.
Zweitens wünsche ich mir viel mehr Strickzeit. Es wäre schön, wenn sich Strickzeit um, sagen wir mal, wahlweise den Faktor fünf bis zehn dehnen ließe, damit real eine Stunde vergeht, während man fünf bis zehn Stunden an etwas arbeiten kann. Genug Pläne und angefangenen Projekte hätte ich nämlich. Demnächst wird auch wieder eine “Ulina” fällig, da sich im Kollegenkreis ein weiteres Baby angekündigt hat.
Den dritten Wunsch gebe ich gern weiter an andere.

Lazy Lulu aus der Wundertüte

Ich mag Überraschungen. Meine Mutter kann bestätigen, dass ich schon als Kind Wundertüten liebte, bei denen man nie genau wusste, was heraus kommt. Das Ergebnis war nicht so wichtig, die Freude beim Überraschtwerden zählte.

Wundertüten und angenehme Überraschungen gibt es glücklicherweise auch heutzutage noch, für den kleinen Strickhunger zwischendurch beispielsweise bei der Wolllust. Aus einer solchen Tüte zog ich (unter anderem) die Anleitung für den Schal “Lazy Lulu” und das passende Garn dazu, einen Strang “CashSeta” in der Farbe Floral, einem zartem Pfirsichrosa. Seit zehn Tagen ist das nun mein Mitnahmeprojekt, denn 50 g wiegen nicht viel, aber an 300 Metern hat man viel Strickspaß. Unter anderem konnte ich mir kürzlich damit knapp zwei Stunden im Wartezimmer meiner Augenärztin vertreiben und wurde von drei Personen darauf angesprochen. Zunächst meinte ein älterer Herr beim Anblick der Strickschrift, das sehe ja sehr kompliziert aus, was ich da stricke. Und zwei Damen, neben denen ich nach diversen Zwischenuntersuchungen Platz nahm, fanden, dass es eine gute Idee sei, für so lange Wartezeiten Strickzeug dabei zu haben. Vielleicht nehmen sie sich ja beim nächsten Mal auch Wolle und Nadeln mit, dann ist es nicht so langweilig, und man verbringt die Wartezeiten wenigstens produktiv.

Tatsächlich strickt sich die Lazy Lulu recht einfach, denn man muss sich eigentlich nur bei der ersten Hälfte der Hinreihen auf die Strickschrift konzentrieren. Der Rest ist weitgehend Wiederholung, und die Rückreihen werden nur links gestrickt. Hier ein Muster-Detail:

Lazy Lulu, MusterdetailAnleitung auch ohne jegliche Überraschung bei Birgit Freyer erstehen.

Mittlerweile bin ich bei Reihe 272, die Reihen werden allmählich kürzer, und ich überlege, ob der Schal vielleicht sogar für den Muttertag fertig wird. Wenn nicht ist es auch nicht schlimm, da ich noch eine (nicht gestrickte) Alternative in petto habe.