Vergangenen Monat, als es noch so kalt war, bestellte ich mir in Neuseeland beim Nature Shop (Tipp einer Freundin) zwei Paar warme, preiswerte Stiefel. Der nächste Winter kommt ja bestimmt, und da werde ich sie gut gebrauchen können.
Letzten Dienstag fand ich im Briefkasten eine Benachrichtigung des Paketzustellers, dass das Paket abgeholt werden könne. Heute nachmittag wollte ich es nun bei der Post abholen. Man gab mir jedoch nur zwei kleine Zettel mit und verwies mich ans Hauptzollamt. Okay, nicht ans eigentliche Hauptzollamt, das in der Landeshauptstadt seinen Sitz hat, sondern an das Zollamt der Stadt, das sich abseits der Innenstadt in einem Gewerbegebiet im Süden befindet. Wohl dem, der ein Auto hat, denn es ist mit öffentlichen Verkehrsmitteln nur schwierig zu erreichen. Die Öffnungszeiten sind übrigens recht kundenfreundlich, montags bis freitags von 7:00 bis 18:00 und donnerstags sogar bis 20:00.
Im Zollamt war nicht viel los, und ich hoffte auf eine schnelle Abwicklung. Ich sollte mich irren.
Die kleinen Zettel, die man mir im Postamt gegeben hatte, waren natürlich bei weitem nicht ausreichend. Vorsorglich hatte ich sowohl einen Ausdruck der Bestellbestätigung wie auch einen des Zahlungsbelegs mitgenommen. Beides wurde nun von einer nicht mehr ganz jungen Dame überprüft. Sie holte das Paket und schnitt erst einmal die Versanddokumente vom Paket. Dann “durfte” ich es öffnen, denn der Inhalt musste beschaut und mit den Papieren verglichen werden. Wahrheitsgemäß sagte ich, es seien Emu-Stiefel, woraufhin die eifrige Dame sofort losrannte, um das Große Buch Mit Den Geschützten Tierarten zu holen und darin nach “Emu” zu suchen. Unnötig zu sagen, dass sie keine Emus im Buch fand, denn Emus fallen nicht unter den Artenschutz. Straußen und Nandus waren drin, aber ich hatte ja weder Straußen- noch Nandustiefel bestellt. Weil das Buch unergiebig war, lief sie wieder davon, um den Artenschutzbeauftragten (vulgo: einen fachkundigen Kollegen) zu holen. Der fand natürlich auch nichts im Buch, und schließlich gab sie sich mit den Beteuerungen eines dritten Kollegen zufrieden, der meinte, wenn etwas nicht im Buch drin sei, dann falle es eben nicht unter den Artenschutz und dürfe frei gehandelt werden. Ich atmete erleichtert auf und genehmigte mir einen Schluck aus der vorsorglich mitgebrachten Wasserflasche.
Nun verschwand die Dame aufs neue und ward einstweilen nicht mehr gesehen. Ich wartete und setzte eine möglichst freundliche Miene auf. Der schon erwähnte dritte Kollege bekam Mitleid mit mir und erbot sich, meinen Fall zu bearbeiten. Es stand immerhin schon fest, dass ich nichts Ungesetzliches wollte.
Ich weiß nicht, was für ein Computerprogramm vom Zollamt verwendet wird, um Einfuhrabgabenbescheide zu erstellen, aber es muss um einige Härtegrade schlimmer sein als das berüchtigte SAP. Erschwert wurde die Prozedur noch durch die unlogischen Einfuhrbestimmungen, die vorsehen, bei Schuhwerk sorgfältig zwischen den verschiedensten Arten von Schuhen, Sandalen und Stiefeln zu unterscheiden. Sowohl die Außenmaße wie auch das Material haben Auswirkungen darauf, welche Kennziffer an welcher Stelle verwendet werden muss, und ich erlebte fasziniert mit, wie der arme Sachbearbeiter sich durch einen langen Reigen von Schuh-Kriterien hindurchfräste, bevor er endlich bei “Sonstiges” angelangt war. Wusstet Ihr übrigens, dass der Steuersatz für Schuhe, die kleiner als 24 cm sind, anders ist als der für größere Schuhe?
Als er die korrekten Kennzahlen schließlich ermittelt hatte, war der Fall aber noch lange nicht erledigt. Nun galt es, den Computer mit diesen Zahlen, den Rechnungsdaten und meinen Adressangaben zu füttern. Wer erwartet, dass das eine Fünfminutensache ist, der irrt. Es dauerte sehr, sehr lange, bis der bedauernswerte Sachbearbeiter endlich alle Daten an Ort und Stelle verbracht hatte. Und nach dem Eingeben musste eine bestimmte, alles andere als intuitive Tastenkombination (“Übernehmen” ) gedrückt werden, damit das Computerprogramm das “Futter” auch ordnungsgemäß verdaute und nicht etwa wieder erbrach. Schließlich drückte der gute Mann wieder eine Taste, und langsam begann der Drucker zu summen. Noch langsamer warf er eine Seite aus. Ich erwartete, dass der Sachbearbeiter die nun sofort ergreifen würde, aber nicht doch: Es kamen noch mehr als ein halbes Dutzend weitere Seiten, und erst danach erfolgte sein Zugriff. Der Mann kennt sich aus.
Fertig? Weit gefehlt. Jetzt wurde von Hand in Schönschrift und mit mehreren Durchschlägen eine Quittung über 19,76 Euro geschrieben. Der freie Bereich des Formulars wurde dabei penibel mit einem Lineal durchgestrichen. Ich war beeindruckt; so etwas hatte ich zuletzt gesehen, als ich 1977 eine Klausur in Buchhaltung schrieb. Die Quittung bekam einen wunderschönen Stempel und wurde dann der Kollegin ausgehändigt, die die Kasse verwaltet. Sie ließ sich von mir das Geld geben und JETZT, JETZT ENDLICH konnte ich die zwei Paar Stiefel und einen eindrucksvollen Stapel Papiere in Empfang nehmen. Die Umverpackung durfte ich dort lassen.
Eine gute Stunde hat der Spaß gedauert, und musikalisch untermalt wurde das Ganze durch das Klingeln diverser Mobiltelefone mit Volksmusik-Klingeltönen.
Vielen Dank für Ihre sachkundige Betreuung, Herr P. (der Name steht auf dem Einfuhrabgabenbescheid); wann immer ich die Stiefel trage, werde ich an Sie denken. 🙂
Sorry, no English version today.
Schönes Abenteuer. Gut dass Du so ein geduldiger, freundlicher Mensch zu sein scheinst 😉
Ich wäre vielleicht ausgeflippt (?)
Liebe Grüße
Angela
Hallo Angela, ich hatte es (das Ausflippen) erwogen, aber ob es mir genützt hätte? Der arme Beamte dort hat ja getan, was möglich war. Die Software, die dort eingesetzt wird, ist einfach grottenlangsam und nicht die Spur benutzerfreundlich. Die Menschen, die damit arbeiten müssen, können einem nur leid tun. Ich möchte nicht wissen, wie es dort aussieht, wenn wirklich mal reger Publikumsverkehr herrscht.
Zahlreiche Grüße
Kerstin
Hallo Kerstin,
Glückwunsch zur Geduldsprobe. Jetzt wollen wir aber auch ein Foto dieses schwer erarbeiteten Schuhwerks sehen!
Schönes Frühlingswochenende und
viele Grüße,
Brigitte