Die verstrickte Dienstagsfrage 22/2014

Diese Woche kommt vom Wollschaf folgende spannende Frage:
Ich habe die Idee, ein “Strick-Wiki” ins Netz zu stellen, kostenfrei und jeder kann mitmachen, analog zu dem “normalen” Wikipedia. Es können dort alle Bereiche, die mit Handarbeiten zu tun haben, angesprochen und mit einem Beitrag versehen werden. Beispielsweise könnte man Strickmuster sammeln, Abkürzungen erklären, Anleitungsvideos verlinken und vieles mehr.
Um abschätzen zu können, ob sich der Aufwand lohnt, habe ich nun die Frage, für wie sinnvoll die Leser diese Idee erachten.
Vielen Dank an Zeena für die heutige Frage!

Prinzipiell ist ein Strick-Wiki eine gute Idee. Ich hatte die vor über einem Jahr auch schon mal und habe damals sogar angefangen, eines aufzusetzen: http://www.strickforum.de/wiki/
Es blieb dann beim Anfang, denn: Von einer Person allein ist so etwas nicht zu stemmen, schon weil die wenigsten von uns über ausreichend fundierte Fachkenntnisse auf wirklich allen Gebieten des Strickens verfügen und dazu noch die nötige Zeit haben. Es müssten also mehrere Leute daran arbeiten. Aber wer ist dazu bereit, einen großen Teil seiner Freizeit ohne Aussicht auf Anerkennung für Gotteslohn zu investieren? Erfahrungsgemäß gibt es bei solchen Projekten nur wenige, die sich wirklich auskennen, aber umso mehr, die davon überzeugt sind, alles besser zu können als die wirklichen Experten, und die mitunter erstaunlich viel Zeit investieren, um so ein Projekt zu torpedieren, weil sie das Gefühl haben, nicht mitspielen zu dürfen. Ich spreche hier aus leidvoller Erfahrung. Lernresistente (und) Profilneurotiker können einem bei größeren Projekten den ganzen Spaß verderben.
Was würde man aus meiner Sicht benötigen, vom Webspace mal abgesehen?
Zunächst bräuchte man einen Admin, der technisch ausreichend versiert ist, um so ein Konstrukt aufzusetzen und ständig auf dem aktuellsten technischen Stand zu halten, und der ggf. die Zugriffsrechte regelt.
Dann sollte jemand da sein, der/die in der Lage ist, so eine Mammutaufgabe inhaltlich einigermaßen zu strukturieren, sonst endet man mit 200 Einträgen, wie man am besten rechte Maschen strickt, und null Hinweisen zu Randmaschen, weil alle Schreiber die doof finden und sowieso nur in Runden stricken.
Weiterhin muss irgend jemand die Texte gegenlesen, und sei es nur, um sicherzustellen, dass keine Urheberrechte (weder durch Bilder noch durch Texte) verletzt werden. Schnell passiert es sonst, dass jemand eine gut geschriebene Passage aus einem Stricklehrbuch übernimmt, womöglich auch noch die dazu gehörigen Bilder einscannt und das Ganze online stellt, und schwupps, ist der Site-Owner in die größten Schwierigkeiten verwickelt. Ehrlich gesagt hätte ich überhaupt keine Lust auf diesen Teil; ich weiß nämlich aus trauriger Erfahrung, dass selbst Basiswissen über Urheberrecht und copyright bei vielen Strickerinnen nicht vorhanden ist, ganz zu schweigen von Unrechtsbewusstsein. Da wird fröhlich und ohne Überlegung etwas abgeschrieben oder eingescannt, und schon ist der Ärger da. Man müsste zudem eine ziemlich große Bibliothek vorhalten und bei jedem neu eingestellten Text prüfen, ob er komplett oder in Teilen schon mal von irgendwem irgendwo (Buch, Zeitschrift, Internet) publiziert wurde. Wer möchte diese Verantwortung übernehmen?
Hinzu kommt, dass ambitionierte Anfänger, die ihre frisch erworbenen Kenntnisse weiterverbreiten wollen, leider mitunter Murks verfassen. Da hat man eine Technik falsch verstanden oder sich selbst falsch beigebracht (ich sag nur “durchgeschlaufte Linksmaschen” ), und das wird dann als Nonplusultra veröffentlicht. Die, die sich besser auskennen, müssten ständig korrigieren, und nicht nur besagte ambitionierte Anfänger wären schnell frustriert. Nach der ersten Begeisterung dürfte so ein Projekt schnell im Sande verlaufen.
Für die meisten in der Frage genannten Inhalte gibt es zudem schon reichlich Plattformen im Internet. Muster und Anleitungen finden sich reichhaltigst und in so ziemlich allen gängigen Sprachen bei Ravelry. Abkürzungen sind je nach Publikation unterschiedlich und durchaus nicht unter einen Hut zu bekommen, ebenso wenig die Symbole von Strickschriften. Bei letzteren liefe man sogar Gefahr, weitere Probleme mit Copyright bzw. Urheberrecht zu erzeugen. Videos kann man bereits in Massen bei Youtube und auf anderen Plattformen finden, man muss nur wissen, wie man sucht. Und ja, suchen müsste man auch in einem gut gepflegten und umfassenden Wiki, weil nun mal nicht alles gut sichtbar oben auf der Startseite stehen kann. Da kann man eigentlich gleich eine gute Suchmaschine konsultieren.

3 Gedanken zu „Die verstrickte Dienstagsfrage 22/2014“

  1. Punktgenau wie immer, liebe Kerstin. Aber eine Frage sei mir vergönnt: was hast du gegen durchgeschlaufte Linksmaschen? Ich hab das vor 27 Jahren so gelernt und mache das seither einfach immer so. Das eine oder andere Strickstück ist mir so bereits geglückt.

  2. Ja, Dagmar, das mit den geglückten Strickstücken kann ich bestätigen. 🙂
    Ich sehe das Problem nicht in den durchgeschlauften Linksmaschen per se. Die können durchaus ihre Berechtigung haben. Solange aber manche Strickerinnen nicht in der Lage sind, die Struktur ihres Gestricks korrekt zu interpretieren (ist die Masche verschränkt? Wenn ja, was muss ich unternehmen, damit das Gestrick bei Bedarf unverschränkt wird?), hilft ihr überzeugt vorgebrachtes Halbwissen anderen nicht weiter. Vor allem wenn andere mit anderen Techniken bestens zurechtkommen. Das soll’s ja auch geben.

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