Das Wollschaf fragt diesmal:
Ich beobachte häufig, dass Strickstücke, die von einer Vorlage gestrickt wurden, überschwänglich gelobt werden, auch wenn es ein simples Teil ist, dass hunderte Male im Netz gezeigt wurde.
Selbst entworfene Sachen bekommen häufig sehr wenig Beifall, obwohl da doch richtig Können und Mühe drinsteckt.
Sehe ich das falsch? Und wenn nicht, warum ist das so?
Vielen Dank an Reni für die heutige Frage!
Das klingt interessant. Ich habe bisher nicht besonders drauf geachtet, aber es könnte etwas dran sein.
Tja, warum ist das so? Vielleicht weil vor allem das Nacharbeiten von vielfach gestrickten Teilen einen direkten Vergleich ermöglicht. Man kann sozusagen Masche für Masche nachvollziehen, wie jemand anders etwas bewerkstelligt, durch das man sich selbst ebenfalls gekämpft hat oder noch kämpfen will. Das gibt einem das Gefühl der Verbundenheit mit all den anderen Strickerinnen, die bereits das gleiche Schicksal durchlitten und die gleichen Triumphe gefeiert haben. Und das wird dann natürlich honoriert.
Wenn ich hingegen einen Pullover selbst entwerfe, maßgestrickt für eine bestimmte Person, abgestimmt auf ihren Körperbau und ihre Vorlieben, dann kann ich meistens nicht einmal diese “Anleitung” ohne gründliche Überarbeitung weitergeben. Oft verwende ich Garne, die nicht mehr erhältlich sind; die Maße sind nicht standardisiert, sondern für eine bestimmte Person berechnet; die Muster entsprechen nur meinem Geschmack; die Ausarbeitung ist für meinen Arbeitsablauf optimiert. Da ist nichts, womit sich jemand anders identifizieren könnte.
Ich habe einmal probiert, eine solche Anleitung weitergabefähig zu machen, weil eine Frau behauptete, unbedingt eine Zopfmusterjacke nachstricken zu wollen. Es kostete mich mehrere Stunden, alles auf Standardgrößen umzurechnen und eine gut lesbare Anleitung zu verfassen. Dafür bekam ich dann nicht einmal ein Dankeschön. Vermutlich war die Empfängerin entsetzt, dass die Anleitung mehrere Seiten umfasste und sich die Jacke nicht von selbst strickte. Jedenfalls habe ich nie wieder etwas von ihr gehört.
Seither schreibe ich übrigens keine “Anleitungen auf Zuruf” mehr, sondern erkläre höchstens, wie man sich selbst etwas ausrechnen kann. Wem es an den dazu erforderlichen geistigen Fähigkeiten gebricht, der kann sich immer noch eine Standard-Anleitung kaufen und sie nachstricken. Das bringt sowieso mehr lobende Kommentare. 😉
Ich schreibe praktisch überhaupt keine Anleitungen, und schon gar nicht auf Zuruf. So altruistisch bin ich einfach nicht, und schon das Verfassen einer ganz einfachen Anleitung ohne unterschiedliche Größen etc. kostet viel Zeit. Lieber ermutige ich die Leute, sich selbst mal an etwas Eigenem zu versuchen.
Viele Grüße
Jinx
Liebe Kerstin,
deine Antwort auf die Frage des Wollschafs muss ich jetzt mal loben! 😉
Deine “Analyse” ist nachvollziehbar, deine eigenen Erfahrungen interessant. Und der letzte Satz, dein Fazit, hat mich zum Schmunzeln gebracht. 🙂
Eine Frage an dich: Gibt es Kommentare, die dich nerven? Manchmal hätte ich ja Lust, hier zu kommentieren, lasse es dann aber lieber, weil ich irgendwie fürchte, dir auf den “Keks” zu gehen.
Viele Grüße,
Ferula
Danke für Eure Kommentare. 🙂
Jinx, im tiefsten Grunde meines Herzens glaube ich immer noch, dass Wissensweitergabe (wozu für mich auch selbst erarbeitete Tipps und Anleitungen gehören) sich insgesamt gesehen lohnt, und manchmal geschehen tatsächlich tröstliche kleine Dankeschön-Wunder.
Ferula, ich freue mich über jeden, ruhig auch kritischen Kommentar. Außerdem lese ich generell gern etwas von Dir. 🙂
Zahlreiche Grüße
Kerstin
Liebe Kerstin,
das mit den Dankeschöns kann ich sehr gut nachvollziehen und will als Geschäftsfrau dazu nichts weiter sagen, auch wenn mir die eine oder andere Anspruchshaltung nach wie vor den Tag verderben kann.
Ich unterstelle gerne, wer so ein kreatives Hobby hat, ist auch neugierig und flexibel, aber das ist natürlich unter Strickerinnen nicht weiter verbreitet als unter dem Rest der Bevölkerung. Erscheint mir irgendwie logisch.
Wer am liebsten Anleitungen nachstrickt kann natürlich auch nicht ermessen, wieviel Arbeit das macht und so gibt es auch kein Lob für Hilfen und Änderungen. So meine Schlussfolgerungen.
An dieser Stelle kann ich aber mal ausdrücklich deine Anleitungen loben, die immer gut ausgearbeitet und durchdacht sind. Ha! Und sehr dankbar bin ich dir auch, denn du hast dir schon so oft soviel Mühe gemacht und aus fizzeligen Garnen Sachen gestrickt, obwohl das eigentlich gar nicht dein Ding ist.
Uuuuund: du hast mir so oft schon Anleitungen ins Englische übersetzt, an denen ich verzweifelt wäre.
Auch wenn du mir dein Wissen angeboten hast, bin ich nicht drauf eingegangen, weil bei mir vor allem Stress und Overload im Hirnkastl herrscht. Im Umkehrschluss biete ich auch nicht mehr Hilfestellung an, denn wenn jemand fragt, ob ich das für ihn / sie lösen kann, gehe ich davon aus, dass er / sie es nicht selbst lösen möchte.
Dann nehme ich mir die Freiheit “Ja” oder “Nein” zu sagen, ganz einfach. Wenn dann jemand beleidigt ist, kann ich damit leben.
Mein neulich neu gehörter Lieblingsspruch lautet “ Warum soll ich ein Nein begründen? Ein Ja soll ich doch auch nicht begründen.”
Ausschweifend philosophierende Grüße
Dagmar