Kritikfähigkeit

Da das Umgehen mit Kritik beziehungsweise der Mangel daran gerade in einigen Bereichen des Strick-Internets thematisiert wird, möchte ich hier meine Ansichten dazu schreiben. Kritik ist erwünscht. 😉

Als Mitglied in diversen Mailinglisten und gelegentliche Leserin etlicher Blogs sehe ich natürlich, daß und wie Strickerinnen immer wieder ihre neuesten Werke zeigen und dafür Lob erwarten und erhalten. Lob! Viel Lob! Uneingeschränkt natürlich! Kritik im Sinne von “könnte man besser machen” kommt dagegen fast nie und wäre wohl für viele Bilderzeigerinnen auch ein böser Schock. Warum eigentlich?
Konstruktive Kritik (und nicht so sehr Lob) hilft mir, meine Arbeit in einem anderen Licht zu sehen, Fehler oder Probleme zu erkennen, die mir vorher nicht bewußt waren, nach Lösungen zu suchen und meine Fähigkeiten und Kenntnisse generell auszubauen und zu erweitern.

Kritik ertragen muß man lernen, kann man lernen, sollte man unbedingt lernen! Wenn wir unser erstes Werk, ob es eine Socke ist, eine Website oder ein Aufsatz, vorzeigen und zunächst eine Liste von Beanstandungen erhalten, wirft uns das natürlich um, kränkt uns womöglich sogar. Aber haben wir uns überlegt, wieviel Mühe sich der Kritisierende für uns gemacht hat? Er/sie hat sich für uns Zeit genommen, hat sich unsere Arbeit vermutlich genau angeguckt und ist der Ansicht, daß in uns allerhand Potential steckt und wir noch viel mehr erreichen könnten. Jetzt nachzulassen und womöglich zu schmollen hieße, den fast sicheren Erfolg zu verschenken. Wer wird denn so dumm sein? Nur noch ein bißchen mehr Anstrengung, und wir erschaffen ein kleines Meisterwerk!

Natürlich ist nicht jede Kritik sofort ermutigend, manchmal ist sie ungeschickt formuliert, womöglich sarkastisch, scheinbar unsachlich. Dagegen hilft es, sich ein dickes Fell wachsen zu lassen, wenn möglich mitzulachen (das befreit ungemein) und ggf. nachzufragen, wenn man wirklich mal etwas nicht verstanden hat. Und dann sollte man es nicht beim Nachfragen belassen, sondern tatsächlich auf die Kritik reagieren und, wenn möglich, die Vorschläge umsetzen. Wir sind dankbar für das Feedback, das uns ja auch zeigt: Man schätzt unsere Arbeit, man möchte, daß wir uns verbessern.

Es gibt inzwischen eine ganze Berufssparte, die professionell kritisiert. Dazu gehören z.B. Image-Berater oder Leute, die Coaching machen. Sie lassen sich von anderen dafür bezahlen, daß sie sie kritisieren. Und wir bekommen die Kritik von unseren Strick-Genossinnen sogar kostenlos! Wir müssen uns nur entschließen, sie zu akzeptieren. Das kann uns mehr bringen als so manches Sockenwollpaket im Sonderangebot.

6 Gedanken zu „Kritikfähigkeit“

  1. Hihi, keine Kritik zu deinem Eintrag, obwohl erwünscht ;).
    Sachliche Kritik bei den Strickstücken ist aber auch oft nicht nötig. Wenn mir ein Strickstück nicht gefällt, liegt es eher an Farbe, Form oder Muster. Und das ist dann meine persönliche Meinung und Einstellung. Die Strickerin sieht das wahrscheinlich ganz anders. Deshalb brauche ich das dann auch gar nicht zu kommentieren. Warum sollte ich schreiben “Ich mag deine Socken nicht, weil sie nicht gelb sind.”?
    Bussi
    Bine

  2. Hallo Bine, es geht nicht um Fragen des Geschmacks. Darüber kann man sowieso nicht wirklich diskutieren. 😉 Aber auch ein gut gemeinter Hinweis, wie das Gestrick technisch verbessert werden könnte, wird leider oft als Kränkung empfunden.

  3. Es gibt auch Kritikwürdiges dahingehend, ob etwas, in das man viel Mühe beim Stricken investiert hat, einem auch tatsächlich steht. Hier zu kritisieren, mit dem nötigen Fingerspitzengefühl, ist nicht jedem gegeben.
    Blindes Nachstricken eines Modells, was am Model super aussieht, kann für die eigene Figur fatale Folgen haben: Strickwerk sieht toll aus, Frau sieht toll aus und beide zusammen grauenhaft.
    Wagt man es und sagt es der Herstellerin, auf dass sie ihre Anstrengungen zukünftig auf die Formgebung richten könnte? Dass ihr Kamelfarben überhaupt nicht steht? Dass der Jackenbund genau die breiteste Stelle der Person betont? Dass überschnittene Ärmel bei Hängeschultern seltsam aussehen und man lieber Kugelärmel stricken soll? Dass Fransengarn als Effekt toll sein kann, aber flächendeckend wie ein Badezimmerteppich aussehen könnte?
    Dass voluminöse Schnitte zwar Pölsterchen kaschieren, aber insgesamt die Anmutung eines Wolltönnchens erzeugen? Dass man bei einem Pulli mit Bund, der sich auf Höhe der Oberschenkel zusammenzieht aussehen kann, wie ein Ballon?
    Man wünscht sich einfach, wenn man sieht, dass so viel Arbeit in ein Werk investiert wurde, dass es der Trägerin auch steht.
    Mit kleinen Änderungen ist das möglich, wenn man über seine Vorteile und Schwächen Bescheid weiß. Aber wer sagt einem das?
    Ach, ein weites Feld …
    Michaela

  4. Ergänzend zu Michaelas Kommentar möchte ich anmerken, daß ich einige Strickforen nicht mehr aufrufe, weil absolut alles, und sei es der größte gestrickte oder gehäkelte Schwachsinn, mit (manchmal teilnahmslos wirkender) Lobhudelei bedacht wird. Das wirkt dann auch nicht mehr ehrlich. Auch Strickerinnen, die Größe 40 stricken, weil es so im Heft steht, und das Strickstück dann an ihrem Größe-48-Körper präsentieren, finde ich unmöglich. Aber auch da schallt es nur Begeisterungsstürme. Gruß Ute

  5. “Wolltönnchen” ist klasse.
    Sollte ich je Bedarf haben, mein Blog umzubenennen, werde ich darauf zurückkommen 😉
    Ich nehme Kritik übrigens fast immer gern an. Schon deshalb, weil sie meistens das besagt, was ich mir selbst schon gedacht habe. Nur bin ich oft zu faul, die Kritik dann auch umzusetzen und mich in das “eigentlich” fertige Strickstück noch mal reinzuschaffen. Aber meine Crepidula-Weste habe ich kürzer gemacht :-)))

  6. …positive Kritik zb. schönes Muster usw.,dann aber auch dazu schlechte Verarbeitung usw.Und gleich noch Verbesserungsvorschläge/Anleitungen sind bestimmt wirkliche Hilfen .Nur Nörgeln finde ich nicht hilfreich, nur Lobpudeln empfinde ich genauso blöd.
    Wer es dann nicht verträgt….weiter üben.

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