Die verstrickte Dienstagsfrage Woche 25/2015

Diese Woche schreibt das Wollschaf:
Wer hat es nicht schon einmal erlebt: Brav eine Maschenprobe gestrickt und das fertige Strickstück passte später doch nicht 🙁
Welche Tipps habt ihr für eine exakte Maschenprobe?
Und an alle, die auf einem großen Stück grundsätzlich lockerer oder fester stricken als bei ihrer Maschenprobe: Wie handhabt ihr diese Abweichungen; was macht ihr, damit es zum Schluß trotzdem passt?

Maschenproben sind quasi ein Hobby von mir. Ich stricke sie gern, und mir fällt es schwer nachzuvollziehen, weshalb so viele Leute keine Maschenproben mögen. Sie sind wie kleine, abgeschlossene Projekte, die man sehr schön zwischendurch einschieben kann, wenn man gerade wenig Zeit hat oder z.B. auf der Busfahrt zur Arbeit nur maximal ein Knäuel Garn mitnehmen möchte.

Viele Strickerinnen lieben kleine Projekte und haben Angst vor großen Teilen, die passen sollen und deshalb eine funktionierende Maschenprobe voraussetzen. Weshalb also nicht die Maschenprobe selbst als Projekt betrachten? Sie ist klein, überschaubar und nützlich und kann zur Not immer noch als Spüllappen fungieren. In einem Unternehmen würde man so etwas übrigens als “Pilotprojekt” deklarieren. 🙂 Und wenn es dabei Probleme gibt, kann man sie relativ risikolos ausmerzen, bevor sie das eigentliche, große Projekt scheitern lassen.

Damit eine Maschenprobe aussagekräftig ist, muss sie groß genug sein. Zwanzig Maschen anschlagen, zehn Reihen stricken und dann so zurechtziehen, dass es irgendwie hinkommt, das reicht höchstens bei sehr dicken Garnen. Es sollten so viele Maschen und Reihen sein, dass man später im mittleren Bereich, ohne Randmaschen, bequem über 10 cm Breite auszählen kann. Bei komplexeren Mustern strickt man zwischen den Randmaschen mindestens einen vollen Mustersatz; zwei sind besser. Bei feinem Gestrick sind das dann eben auch mal 40 Maschen und 60 Reihen oder noch mehr. Aber hinterher hat man beispielsweise einen wunderschönen, exquisiten Spüllappen, das allein sollte doch schon die Mühe wert sein. Die eine Stunde fürs Probestricken ist außerdem nichts im Vergleich mit den vier Wochen, die man an einer Jacke strickt, die dann nicht passt.

Zusätzlich erlaubt so eine Probe, sich mit speziellen Stricktechniken auseinanderzusetzen und z.B. verschiedene Randmaschentechniken zu testen. Wenn sich dann herausstellt, dass sich aus einer Kante nur mühsam die Maschen für die Knopfblende herausstricken lassen, kann man beim “großen” Projekt gleich auf eine bessere Methode umstellen.

Außerdem sollte eine Maschenprobe natürlich gewaschen werden, und zwar genau so, wie man später das fertige große Teil waschen will. Extrem wichtig finde ich das bei Naturfasern. Leinen, Seide und bestimmte Merinoqualitäten können sich in der ersten richtigen Wäsche ganz erstaunlich verändern, sowohl in der Haptik als auch in den Maßen. Üblicherweise fängt das Leben von Selbstgestricktem überhaupt erst nach der ersten Wäsche richtig an. Also sollte man sämtliche Bemaßungen und Berechnungen auf diese Zeit abstimmen. Wer ganz sicher gehen oder nur mal ein bisschen staunen will, strickt zwei gleiche Proben, wäscht nur eine davon und vergleicht dann mal.

Maschenprobenhassern, die auch mit den besten Argumenten nicht zum Probestricken zu bewegen sind, empfehle ich, möglichst immer mit denselben Garnqualitäten zu stricken. Dann kann man nämlich die früheren Projekte als große Maschenproben verwenden. Ich bin zwar keine Maschenprobenhasserin, aber ich messe trotzdem gern fertige Pullover aus, bevor ich Modelle aus dem gleichen Garn nochmals, z.B. in einer anderen Größe, stricke. Auf diese Weise habe ich exzellente, sehr präzise Maschenproben fix und fertig im Vorrat. Unnötig zu betonen, dass das natürlich nur funktioniert, wenn man sein Gestrick nicht umgehend nach Fertigstellung wieder aufribbelt oder in die Tonne tritt, weil es nicht so geworden ist, wie man sich das vorstellte.

Jedes misslungene Modell ist eine reichhaltige, einzigartige Quelle für die Fehleranalyse. Aber aus Fehlern erst einmal möglichst viel zu lernen, bevor man sie entsorgt, ist bei Strickerinnen leider immer noch recht wenig verbreitet.