Aus gegebenem Anlass möchte ich heute erläutern, wie man bei einer gestrickten Schrägung die Zu- oder Abnahmen berechnet. Auf geht’s.
Wo es Schrägungen gibt
- Zu- oder Abnahmen innerhalb der unteren Leibteile, z.B. für eine Taillierung oder A-Linie;
- V-Ausschnitte;
- Raglan-Linien an Leibteilen und Ärmeln (die verschieden sein können);
- Zu- bzw. Abnahmen am Ärmel zwischen Handgelenk und Achselpunkt, je nach Strickrichtung.
Auch bei den Schultern hat man es gelegentlich mit Schrägungen zu tun. Dort läuft es allerdings etwas anders, deshalb lasse ich diese Sorte heute außen vor, ebenso wie Rundungen, die nichts anderes sind als verschiedene aufeinander folgende Schrägungen. Damit setzen wir uns ein andermal auseinander.
Datenermittlung
Bei jeder Schrägung hat man „unten“, d.h. an ihrem Anfang, x cm Weite und „oben“, nach soundsoviel cm Höhe, y cm Weite. Die soundsoviel cm Höhe nennen wir z. Das Ganze lässt sich viel einfacher berechnen, wenn man gleich anhand der Maschenprobe die Zentimeter in Maschen und Reihen umrechnet, denn mit denen arbeiten wir ja beim Stricken.
Wir haben also:
x Maschen am Anfang,
y Maschen am Ende,
z Reihen, um möglichst gleichmäßig verteilt von x zu y zu gelangen.
Der Unterschied zwischen x und y (mathematisch ausgedrückt:
ABS(y-x) ) ist die Zahl der Maschen, die bei der Schrägung zu- oder abgenommen werden muss. Wir wollen nun ermitteln, in jeder wievielten Reihe das passieren muss. Und hier kommt schon die erste Hürde.
Gleichmäßig verteilen
Der erste Gedanke beim gleichmäßigen Verteilen der Formgebung ist meistens: Teilen wir doch die Zahl der Reihen einfach durch die Zahl der Zu- oder Abnahmen, dann haben wir unsere Lösung. Leider ist das falsch gedacht. Warum? Ich zeige das mal an einem Beispiel.
Stellt euch vor, ihr müsst über eine Höhe von 11 Reihen nur einmal zunehmen. Der Rechenvorgang wäre demnach: 11 geteilt durch 1 = 11. Das würde bedeuten, dass ihr in der letzten Reihe, nämlich Reihe 11, 1 M zunehmt. Ist das gleichmäßig auf 11 Reihen verteilt? Natürlich nicht. Wenn man eine Zunahme auf 11 Reihen gleichmäßig verteilt, dann setzt man sie in die Mitte, hier also bei Reihe 6. Vor und nach der einen Zunahme hat man je einen Abschnitt, insgesamt sind es zwei. Bei zwei Zu- oder Abnahmen hätte man drei Abschnitte, einen vor der ersten, einen zwischen den beiden, einen nach der zweiten. Das lässt sich beliebig fortsetzen. Man erkennt: Grundsätzlich hat man einen Abschnitt mehr, als es Zu- oder Abnahmen gibt. Und es ist die Reihenzahl dieser Abschnitte, die man berechnet, um eine möglichst gleichmäßige Verteilung zu erzielen.
Also wie jetzt?
Die gesamte Reihenzahl wird deshalb geteilt durch die Zahl der Abschnitte, denn die Abschnitte enthalten die Zahl der Reihen, die man zwischen den Formgebungen stricken muss. Wieder ein Beispiel:
Über eine Höhe von 75 Reihen sollen 17 M abgenommen werden. Ja, das wird knifflig. 😉
Wie weiter oben beschrieben, teilen wir 75 durch 18. Das ergibt 4 und ein Sechstel. Nun kann man bekanntlich keine sechstel Reihe bis zur nächsten Abnahme stricken. Deshalb berechnen wir zunächst, wie weit wir kommen, wenn wir jeweils nur 4 R stricken:
18×4 = 72. Wir haben also quasi drei Reihen zuviel. Zur mehr oder weniger gleichmäßigen Verteilung dieser drei Reihen gibt es verschiedene Möglichkeiten:
- Man kann sie nach der letzten Abnahme gerade hoch stricken.
- Man kann sie vor der ersten Abnahme gerade hoch stricken.
- Man kann sie so auf die 18 Abschnitte verteilen, dass man 15 Abschnitte mit vier Reihen hat und drei mit fünf Reihen.
Diese drei größeren Abschnitte kann man wiederum an den Anfang oder das Ende der 18 Abschnitte legen. So wird meistens bei kommerziellen Anleitungen verfahren. Wohin genau man sie legt, hängt davon ab, welche Form (eher konkav oder eher konvex) am besten geeignet ist.
Keine Panik!
Ich weiß, dass viele Strickerinnen vor allem zurückschrecken, was mit Rechnen zu tun hat. Wenn euer Standardverfahren für die Formgebung funktioniert, bleibt einfach dabei. Falls aber mal die eine oder andere besonders ungewöhnliche Maschenprobe ein anderes Vorgehen erfordert, wisst ihr nun wenigstens, wie man so eine Herausforderung angeht.
Und im Teil 2 erläuterst du dann, wie man die Maschenanzahl für ein Strickstück im Zickzack-Muster berechnet 😉
Dafür hab ich mir mal eine Zeichnung gemacht, aber Genosse Pythagoras ist da sehr hilfreich.
Vielleicht sollte in den Schulen u.a. Mathe und Handarbeit gekoppelt werden. Wir hatten früher noch „Werken“, wo wir mit Holz und Metall arbeiteten – auch da war Mathe sehr hilfreich….