Wie man Menschen krank macht

Heute ging ich zur Apotheke, um Nachschub meines bewährten pflanzlichen Antidepressivums zu beschaffen. Dort erfuhr ich, dass es seit Anfang dieses Monats rezeptpflichtig ist. Ohne Arztbesuch bekomme ich es nicht mehr.

Ich bin gesetzlich krankenversichert. Ich lebe in einem der neuen Bundesländer. Einen Arzttermin bekommen Leute wie ich hier mit einer Wartezeit von drei bis fünf Monaten, je nach Arzt. In dringenden Fällen, wenn es sozusagen um Leben und Tod geht, kann ich morgens um halb acht in die Praxis gehen und dort warten, bis der letzte vor fünf Monaten angemeldete Patient sowie die Privatpatienten, die zwischendurch mal reinschauen, um zu sehen, wie es dem Arzt geht, behandelt wurden. Im Zweifelsfall, je nachdem, wie intelligent die Praxis geführt wird, sind das zwölf Stunden. Ausreichend Verpflegung sollte man sich dafür natürlich mitnehmen, da die Arztpraxen das nicht vorhalten. Mineralwasser gibt es hier mittlerweile schon in den Wartezimmern, wahrscheinlich weil schon mehrfach Patienten nach einigen Stunden ohne Flüssigkeitsnachschub einfach umgekippt sind.

Leider habe ich in den nächsten Tagen dringende beruflich bedingte Termine. Irgendwie muss ich ja das Gehalt verdienen, von dem mir mein stattlicher Krankenkassenbeitrag abgezogen wird, der mir hier freilich so gar nicht weiterhilft. Deshalb kann ich mir bis auf weiteres keinen Ausfall wegen eines Arztbesuches leisten. Ich habe nun in meiner Verzweiflung ein geringer dosiertes Präparat bestellt und werde davon dann eben täglich die doppelte Menge essen.
An dieser Stelle möchte ich unseren tollen PolitikerInnen herzlichst für ihre phantastischen Gesundheitsreformen danken und wünsche ihnen von ganzem Herzen, mal drei bis fünf Monate lang eine latente Depression zu ertragen, bis sie so manifest geworden ist, dass die Herrschaften sich bitte wahlweise aufhängen oder erschießen.

Sorry, no English version today.

4 Gedanken zu „Wie man Menschen krank macht“

  1. Weia…
    Aber so unrecht hast Du nicht. Nur: Politiker sind in der Regel entweder privat versichert, kommen also husch-husch an einen Termin, oder haben einen Promi-Sonder-Status. Kommt aufs Gleiche raus (in dem Fall sogar aufs Selbe *örks*).

    Ich selbst gehöre zur Weißkittelfraktion und fange im November nach 14 Jahren Pause wieder zu arbeiten an (haha, übrigens kassenversichert…!). Praxis kam für mich nie in Frage – ich renne doch nicht sehenden Auges in meinen (wirtschaftlichen und finanziellen) Ruin.
    Was die Herren und Damen in <s>Bonn</s> Berlin so verzapfen geht wahrlich auf keine Kuhhaut.
    Gibt´s denn eine Alternative für Dein Medikament? Oder musst Du in den sauren Apfel beißen…?

  2. Hallo Suse,

    rezeptfrei gibt’s diese Mittel seit neuestem nur in niedriger Dosierung. Kostet natürlich genausoviel wie vorher das hochdosierte, wird letztlich also 50 % teurer für mich. Aber besser als nix.

    Zahlreiche Grüße
    Kerstin

  3. Moin Kerstin,

    das ist übel. Hast Du schon mal versucht, es online zu bekommen? Übers Ausland? Ich habe selbst vor Jahren mal Melatonin so bestellt; ging reibungslos…

    Ich drücke mal ganz fest die Daumen.

    Mitfühlende Grüße
    Suse

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