Der verdrehte Anschlag, Mythos und Wahrheit

Ich hab’s ja schon seit längerem vermutet, aber nun habe ich Gewissheit: Es hilft nicht immer, wenn man sich vor dem Stricken der ersten Runde den Anschlag so zurechtlegt, dass er nicht verdreht ist.

Maschenanschlag

Hier sieht man einen Anschlag von 48 M, auf drei Nadeln verteilt. Ich habe nun absichtlich einfach losgestrickt, ohne zu prüfen, ob da etwas verdreht ist. Ich habe nur darauf geachtet, auch wirklich von der Vorderseite her einzustechen, also dort, wo die “glatten” Maschenfüßchen sind. Auf diesem Bild ist die erste Nadel abgestrickt:

erste Runde, erste Nadel

Der erfahrenen Strickerin dürften jetzt die Haare zu Berge stehen, denn dass der Anschlag verdreht ist, fällt einem sofort auf.

Das ist aber überhaupt kein Problem, denn der kritische Punkt kommt nach der ersten Runde. Beim Stricken dieser Runde sollte man genau zählen, ob man die richtige Maschenzahl auf den Nadeln hat. Wenn etwas verdreht ist, dann bildet die Verdrehung am Ende der letzten Nadel zusätzliche Schlingen, die man für Maschen halten könnte. Es sind aber keine, deshalb muss man sie von der Nadel werfen.

nach der ersten Runde

Hier hat man genau einen Faden als Verbindung zwischen der ersten und letzten Nadel, siehe Pfeil. Die überschüssige Fadenlänge entstand übrigens durch den absichtlich hineingebrachten Dreher, der eine überzählige Schlinge auf der letzten Nadel bildete. Die habe ich von der Nadel geschoben, ohne sie abzustricken. Deshalb ist es wichtig, die Maschen bei der ersten Runde nachzuzählen. Wenn Schlingen auftreten, dann findet man sie am Ende der Runde.

An dieser Stelle, also nach der ersten Runde, kann man alles Verdrehte zurechtrücken – oder auch vermurksen, was man zuvor schön zurechtgerückt hatte, wenn z.B. die linke Nadel versehentlich so unter dem verbindenden Faden entlanggeführt wird, dass sich der Anschlag verdreht.

Und genau deshalb sollte man jetzt, nach der ersten Runde, alles überprüfen, damit man die zweite Runde unverdreht beginnt. Falls man das nicht schafft und dennoch einen Dreher hineinbringt, ist aber noch nicht alles verloren. Denn vor dem Beginn der dritten Runde sind erste und letzte Nadel durch zwei Fäden verbunden:

nach der zweiten Runde

An dieser Stelle prüft man noch einmal, ob alle Maschen ordentlich aufgereiht sind (hier sind sie es). Hat man vorher versehentlich einen Dreher hineingebracht hat, dann kann man zu diesem Zeitpunkt noch korrigieren, indem man die erste und letzte Nadel gegeneinander zurechtdreht. Dabei werden zwar die zwei Fäden zwischen diesen beiden Nadeln verdreht, aber das ist später kaum wahrnehmbar und auf jeden Fall weniger schlimm, als wenn man den Fehler erst nach zehn oder mehr Runden bemerkt.

Also: Zukünftig könnt Ihr Euch den “hoffentlich ist nichts verdreht”-Check vor der ersten Runde sparen. Stattdessen prüft Ihr nach der ersten Runde, ob alles in Ordnung ist, und danach vorsichtshalber noch einmal nach der zweiten Runde. Zu diesem Zeitpunkt hat man auch genug Gestrick auf den Nadeln, um etwaige Verdreher leicht zu erkennen.

3 Gedanken zu „Der verdrehte Anschlag, Mythos und Wahrheit“

  1. Das gleiche hat mir meine Tante (60+ Jahre Strickerfahrung) auch vor ein paar Jahren erklaert – und seither bin ich ganz entspannt, wenn ich einen Anschlag zur Runde schliessen muss.

  2. danke für die gute erklärung.
    persönlich stricke ich (bei sockengarn) gerne einfach eine reihe und schliesse danach erst zur runde.
    das zurechtdrehen entfällt dann ganz und der übergang wird auch schöner.
    (die kleine stufe verschwindet, wenn der anschlagfaden vernäht wird)

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

*