Vorweihnachtliche Überlegungen

Mich erstaunt, dass so viele Menschen behaupten, sie würden die Vorweihnachtszeit lieben; es sei eine schöne und besinnliche Zeit voller Erwartung. Meine Vorweihnachtszeit ist eine Zeit der Hektik und der verzweifelten Versuche, das blanke Chaos zu organisieren. Dabei ist der Geschenkekauf noch nicht mal eingerechnet.

Es fängt damit an, dass man ein Adventsgesteck aussuchen muss, und zwar möglichst zeitig, damit die schönen nicht schon alle ausverkauft sind. Dieses Jahr hatte ich dabei immenses Glück. Als ich ein paar Tage vor dem ersten Advent gerade “unser” Gesteck bezahlte, kam eine Dame in den Blumenladen und fragte, ob sie noch eines der Gestecke mit großer weißer Kerze, arrangiert auf einem sechseckigen Stern, haben könnte. Die Blumenhändlerin zeigte auf mein bereits eingewickeltes Päckchen: Das sei das letzte seiner Art gewesen. Und ja, natürlich war ich froh, es noch ergattert zu haben.

Dann kommt die Sache mit den Plätzchen und dem Früchtebrot und den vielfachen Wünschen einzelner Herren. Dank einer ebenso liebenswerten wie backfreudigen Schwägerin kamen selbstgebackene Plätzchen und Früchtebrot in diesem Jahr in großzügiger Menge und hervorragender Qualität per Paket ins Haus. Ich war mehr als dankbar dafür.

Aus unerfindlichen Gründen liegen vor Weihnachten in jedem Jahr allerlei Arztbesuche und artverwandte Passivitäten. Die (hoffentlich) letzten beiden für dieses Jahr absolvierte ich heute mit Wartezeiten von 5 Sekunden beim ersten Termin und fünf Minuten beim zweiten. Letzteres eigentlich nur, weil ich fünf Minuten zu früh in der Praxis war. Da bleibt einem nicht einmal Zeit, das Strickzeug auszupacken und die richtige Stelle im Muster zu finden, und so ist es kein Wunder, dass ein Weihnachtsgeschenk immer noch nicht fertig ist.

Am allerschlimmsten finde ich aber die vorweihnachtlichen Großeinkäufe. Die Supermärkte sind voll mit ausgebefreudigen Kunden, die außerstande sind, ihre Einkaufswagen so zwischen den Regalreihen hindurchzumanövrieren, dass ein zweiter Einkaufswagen dran vorbeikommt; die Schlangen an den Kassen reichen zusammengenommen von der Erde bis zum Mond (wohin man manche Mit-Kunden auch gern schießen würde); und die ganz normale Schlagsahne ist schon seit Mitte Dezember ausverkauft, so dass man auf seltsame Sahnesorten ausweichen muss, die entweder mittels merkwürdiger Chemikalien schon fertig aufgeschlagen oder dank noch zweifelhafterer Zusätze angeblich haltbar bis mindestens Pfingsten 2020 sind.

Da ich in diesem Jahr bis fast zum letzten Moment arbeite und meine freie Zeit hoffnungslos für innerfamiliäre und so genannte gesellschaftliche Aktivitäten verplant ist (in manchen Kulturen nennt man das “triple overbooked” ), werde ich erst am 23. zum Einkaufen gehen können. Mir graut es davor. Meine Einkaufsliste ist so lang, dass sie nur vielfach gefaltet in meine Hosentasche passen wird. Aufgrund der zu beschaffenden Mengen könnte man meinen, die Weihnachtsfeiertage zögen sich über mindestens drei Monate hin, und nach Weihnachten gäbe es nichts mehr zu kaufen. Aber wenigstens “steht” der Menüplan fürs Fest, die Saiblingsfilets für Heiligabend sind seit Wochen vorbestellt, und die sonstigen benötigten Zutaten sind von der gängigen Sorte. So werde ich frohgemut am 23.12. in aller Herrgottsfrühe aufbrechen, damit ich noch einen Parkplatz in der Tiefgarage des Einkaufszentrums finde, und dann warte ich vor dem Supermarkt auf das Öffnen der Tür, um mit gezückter Einkaufsliste und im Sturmschritt von den Aufbackbrötchen über die Chilischoten bis zu den Ersatzbatterien für die Fernbedienung des DVD-Abspielgerätes erst die Regale und an der Kasse dann mein Konto zu plündern.

Und irgendwann, vielleicht wenn ich am 24.12. in der Kirche bin, kommt dann hoffentlich ein Moment, wo auch ich einen Hauch von Besinnlichkeit und Entspannung erlebe. Weihnachten kann wunderschön sein – wenn bloß die schreckliche Vorweihnachtszeit nicht wäre.

3 Gedanken zu „Vorweihnachtliche Überlegungen“

  1. Allyouneed.com macht mein Leben in dem Punkt Einkaufen tatsächlich leichter. Auch wenn die dadurch frei gewordene Zeit dieses Jahr für einen kleinen Menschen und nicht das Stricken reserviert ist. 😉
    (Trotzdem)schon mal frohe Weihnachten!

    Viele Grüße
    Maria

  2. Liebe Kerstin,
    ich glaube, die Vorweihnachtszeit ist ein Indikator: Wie man sie erlebt, was sie einem auferlegt, was man sich dann selbst auferlegt, ist nicht der Ausdruck dessen, wie wir uns organisieren können oder nicht und auch nicht der Ausdruck dessen, was der Kalender mit uns macht, und auch kein Symptom unserer Persönlichkeit. Ich denke, sie ist ein Lackmusstreifen, der uns zeigt – von Schicksalsschlägen mal abgesehen, die natürlich alles ungewollt verändern können -, für welches Leben wir uns einmal vor langer Zeit entschieden haben: Ob mit einer mehr oder minder großen Familie oder eher in Einsamkeit, ob traditionsbewusst oder traditionsfremd, ob menschennah oder menschenfern, oder erwachsen oder kindgeblieben.
    In meinem Bekanntenkreis gibt es viele Leute, denen es geht wie Dir. Bei mir ist es genau umgekehrt. So ruhig wie die Vorweihnachtszeit ist sonst kein Monat im Jahr. Ich weiß nicht, ob es jetzt unerlaubtes Verlinken ist (ggfs. bitte entfernen), aber ich führe Dich jetzt zu einem Artikel aus einem meiner anderen Blogs, der Dir vielleicht eine andere Sicht der Dinge geben kann.
    http://www.dasblog.textloft
    Liebe Grüße und ein schönes Fest
    Martine

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