Die nächste Ulina

Im September wird im Kollegenkreis wieder einmal ein kleines Mädchen-Baby erwartet. Und natürlich braucht das Kind, wenn es auf den Herbst zugeht, etwas Warmes zum Anziehen. Hier ist also Ulina Nr. 11, sofern ich mich nicht verzählt habe; es könnten auch schon mehr gewesen sein.

Babyjacke Ulina, die vermutlich elfte

Gestrickt aus lauter Resten, insgesamt etwa 175 Gramm: Ein älterer Rest Schoeller “Menuett” (100 % Schurwolle, die Lauflänge müsste bei etwa 330 m auf 100 g liegen) in Dunkelrot, ein nicht ganz so alter Rest Madelinetosh “80/10/10 Fingering” in Farbe Whippoorwill (blassgrün-meliert) und eine kleine Menge Wollmeise Pure in Farbe “Oh Tannenbaum” (dunkelgrün). Es war ein wenig herausfordernd, die Mengen so in halbwegs gleichmäßigen Streifen zu verteilen, dass es reichte und außerdem noch möglichst gut aussah. Vom blassgrünen Garn hatte ich am meisten, deshalb wurden daraus die breiten Streifen. Vom dunklen Grün hätte ich auch ziemlich viel gehabt, aber mir gefiel es als schmaler Trennstreifen am besten. Für die Halsblende war dann leider nicht mehr genügend rotes Garn vorhanden, deshalb strickte ich sie im hellen Grün. Es sieht damit trotzdem gut aus. Die Knöpfe sind ganz schlicht dunkelgrün, damit sie sich sowohl vom Rot als auch vom Blassgrün gut abheben.

Beim Verteilen der Farben und Reste ist es vielleicht hilfreich zu wissen, dass jede Jackenhälfte vom Anschlag an der Körpermitte bis zum Abketten am Ärmel aus 83 Rippen besteht. Bei dieser Version beträgt der Streifen-Rapport 10 Rippen (3 rot, 1 dunkelgrün, 5 hellgrün, 1 dunkelgrün) und endet mit 3 Rippen in Rot. Einen Nachteil bei solchen Streifenmustern möchte ich übrigens nicht unerwähnt lassen: Man hat ziemlich viele Fäden zu vernähen.

Die verstrickte Dienstagsfrage Woche 31/2015

Mangels Einreichung neuer Fragen und passend zum derzeitigen “welcheJahreszeitistdaseigentlich”-Wetter hat das Wollschaf eine Frage aus dem 2010er-Archiv ausgebuddelt:
Welches Wetter animiert Euch am ehesten zum Stricken? Bist Du eher “Regenstricker/in” oder “Sonnenstricker/in” – “Nebelstricker/in” oder “Sonnenuntergangsstricker/in”? Oder ist Dir das Wetter beim Stricken schnurzpiepegal?
Vielen Dank an Maria für die heutige Frage!

Ob ich stricke oder nicht, hängt bei mir nicht vom Wetter ab, sondern von der Zeit und vom Stress, wobei diese Faktoren meistens umgekehrt proportional zusammenhängen. Anders ausgedrückt: Habe ich viel Zeit, dann habe ich meistens wenig Stress. Habe ich wenig Zeit, dann steigt üblicherweise der Stress-Pegel. Finde ich jedoch Zeit zum Stricken, dann baue ich damit Stress ab.

Um aufs Wetter zurückzukommen: Das spielt für mich keine Rolle. Wenn ich die Zeit dafür habe, stricke ich bei jedem Wetter und wurde auch schon an einem heißen Sommertag in einem (natürlich verspäteten) Zug der Deutschen Bahn gefragt, ob es mir mit meinem Strickzeug nicht zu warm wäre. Das war es nicht, denn meistens verstricke ich Naturfasern, und die können eventuellen Handschweiß beim Stricken aufsaugen. Dies ist übrigens ein weiteres Argument dafür, dem fertigen Gestrick vor dem ersten Tragen eine Wäsche zu gönnen.

Da ich voll berufstätig bin und zusätzlich diverse familiäre Verpflichtungen habe, ist meine Zeit sehr begrenzt. Es wäre unpraktisch, meine knappe Strickzeit wegen bestimmter Wetterphänomene noch weiter zu verringern. Dann bliebe oft nämlich gar nichts mehr übrig.

Tuch “Moonwalk”

Vor sechs Tagen erschien der dritte und letzte Anleitungsteil für das Tuch “Moonwalk” von Birgit Freyer. Es ist ein modifiziertes, gebogenes Dreiecktuch, das sich gut um die Schultern legt.

Mit dem ersten Teil der Anleitung hatte ich mich relativ schwer getan, nicht nur, weil er recht umfangreich war, sondern auch, weil ich mir den relativ kurzen Rapport nur schlecht merken konnte. Umso verblüffter war ich, dass mir der zweite Teil und die Abschlussspitze dann so leicht von der Hand gingen. Der Aufbau dieser Musterteile ist so logisch und simpel, dass ich mir die Abfolge gut merken konnte, ohne ständig aufs Diagramm zu schauen. Zusätzlich strickte ich in den letzten Reihen noch ein paar Perlen ein. Da diese in der Anleitung nicht vorgesehen sind, überlegte ich erst eine Weile, wohin sie wohl am besten passen würden, und entschied mich dann für die ausgeprägte Zackenlinie kurz vor dem Abschluss. Hier ist ein Detailbild der Kante; die Perlen (Toho 8/0 Rocailles in Farbe Crystal Gold Lined) erkennt man in der rechten Bildhälfte am besten:

Moonwalk, Spitzenkante

Und zum krönenden Abschluss noch ein Bild vom fertigen Tuch:

Tuch Moonwalk

Gestrickt aus etwa 70 Gramm Posh “Natasha Lace” (50 % Kamel, 50 % Seide, 800 m/100 g) und 10 g TOHO 8/0 Rocailles mit Nadelstärke 4 mm. Das Tuch ist eher klein ausgefallen, die Halskante ist etwa 160 cm lang, und die Höhe beträgt 67 cm. Der Effekt ist trotzdem wunderschön, hauchzart und ätherisch. Die Mühe hat sich auf jeden Fall gelohnt. Und die zwei, drei Fehler, die bestimmt irgendwo drin sind, fallen zumindest mir gar nicht mehr auf. 😉

Wollerey-Abo, Lieferung Nr. 2

Bereits vergangenen Mittwoch erhielt ich die Versandbestätigung fürs Wollerey-Abo, und am Donnerstag konnte ich bei DHL nachlesen, dass die Sendung ins Zustellfahrzeug geladen worden sei. Ausgeliefert wurde sie allerdings erst heute, vielleicht wegen des Streiks, vielleicht wegen des Wetters, vielleicht aus anderen Gründen. Egal, ich freue mich trotzdem wie verrückt über diese wunderschönen Stränge:

Wollerey Abo, Lieferung 2

Bei den dicken rostroten Strängen handelt es sich um die Qualität Schura Silk (60 % Schurwolle, 20 % Ramie, 20 % Seide) in Farbe sr003, die kleinen Stränge sind Sedaca (100 % Seide) in sd6185 (maisgelb) und sc6186 (apfelgrün).

Das Wollerey-Abo ist immer eine Überraschung; man weiß nie genau im voraus, was Dagmar für jede Abonnentin individuell färbt. Aber bisher wurde ich noch nie enttäuscht; ihr Farbgefühl ist hervorragend, und sie weiß, was mir steht.

Was draus wird? Mal schauen, vielleicht ein “Kupuri”-Pulli, für den es die Anleitung voraussichtlich ab der kommenden Woche geben wird.

Mondspaziergang – Moonwalk Mystery KAL

Vor zwölf Tagen begann ein Mystery-Knitalong namens “Moonwalk” von Birgit Freyer. Ich stricke recht gern nach ihren Anleitungen; sie enthalten eigentlich immer Diagramme und sind bei aller Knappheit gut nachstrickbar. Selbst trage ich zwar eher wenig Tücher und Spitzenschals, aber man hat damit jederzeit ein schönes, sehr persönliches Geschenk für die verschiedensten Gelegenheiten im Vorrat.

Eigentlich sollte das Tuch aus dem Lacegarn “Findley Dappled” gestrickt werden, aber dann fiel mir ein Rest Posh “Natasha Lace” in die Hand. Diese Qualität ist zwar etwas dünner, schien mir aber von der Menge her perfekt, deshalb disponierte ich um.

Die Anleitung erscheint bzw. erschien in drei Teilen im Abstand von jeweils einer Woche. Der erste Teil umfasst nicht weniger als 86 immer länger werdende Reihen. Das ist eine Menge Arbeit, deshalb war ich auch noch nicht damit fertig, als vergangenen Donnerstag der zweite Teil erschien. Dieser ist mit 16 Reihen erfreulich kurz; ich habe ihn bereits durchgestrickt. Die Anleitung in Diagrammform ist übersichtlich und damit gut nachzuarbeiten. Schwierig bei Birgit Freyers Anleitungen finde ich lediglich, dass man keine Kästchen zählen kann, um beispielsweise die Maschenzahl eines Rapports zu ermitteln. Manche ihrer Symbole umfassen nämlich zwei oder mehr Maschen, sowohl beim Abstricken als auch beim Ergebnis. Da werden aus drei Maschen zwei, oder aus einer einzigen zwei. Die Maschenzahl variiert dadurch in den einzelnen Reihen, obwohl die Anzahl der Symbole pro Rapport gleich bleibt. Das macht die Kontrolle schwieriger.

Tuch Moonwalk

Das Bild zeigt den Mittelbereich des Tuchs, Reihe 102 ist beendet. Da ich auf einer relativ kurzen Nadel stricke, kann man vom Muster nicht viel erkennen. Dafür habe ich (bilde ich mir jedenfalls ein) kürzere Wege beim Stricken, weil ich die Maschen nicht über mehrere Meter schieben muss.

Beim zweiten Teil war der Rapport relativ groß, so dass ich mir dazwischen jeweils Maschenmarkierer hängte (meine geliebten Zahnbürstenmarkierungsringe). Im Diagramm liegen die Rapportwechsel hübsch übereinander; beim Stricken jedoch verschiebt sich der Rapport in jeder Hinreihe um eine Masche nach links oder rechts. Deshalb war ich ständig damit beschäftigt, die Markierer zu verschieben. Das störte meinen Strickfluss ein wenig. Und natürlich erfordert dieses Muster einiges an Konzentration. Im ersten Teil klebte ich bis mindestens zur vierten Wiederholung förmlich am Diagramm; beim zweiten Teil kam ich besser voran. Nun freue ich mich auf übermorgen, wenn der letzte Teil der Anleitung erscheint. Dann kann ich das Tuch in Ruhe fertigstellen.

Strick für festliche Gelegenheiten: Die verstrickte Dienstagsfrage Woche 26/2015

Diese Woche meint das Wollschaf:
Für die meisten ist Selbstgestricktes Alltagskleidung, in der Freizeit getragen oder -je nach Dresscode- auch auf der Arbeit.
Aber ab und zu findet man in Strickzeitschriften auch elegante, festliche Modelle und das eine oder andere gestrickte oder gehäkelte Brautkleid hat das Wollschaf auch schon gesehen.
Kannst Du Dir vorstellen, zu einem formellen oder festlichen Anlaß oder einfach nur abends zum Ausgehen Stricksachen zu tragen?
Besitzt Du besonders schicke, elegante selbstgestrickte Sachen? Zeig mal!

Selbstverständlich eignet sich Strickkleidung für besondere Gelegenheiten, und das nicht erst seit gestern. In den 1980er und 1990er Jahren, zur Blütezeit des Selberstrickens, fand man in vielen Zeitschriften äußerst elegante Kleidungsstücke aus edelsten Garnen wie Seide oder Angora, die mit dem entsprechenden Styling jedem modernen Abendkleid Konkurrenz machen konnten. Man darf dabei natürlich nicht aus den Augen verlieren, dass die damalige Mode vor allem aus Kombinationen bestand und weniger aus einteiligen Kleidern.
Zu den Modellen, die ich seinerzeit anfertigte, gehörten z.B. ein schwarzer Angorapullover mit aufwendiger Stickerei aus Goldlurex oder ein schlichtes kurzes Jäckchen aus reinen Angoragarn, das die perfekte Ergänzung für ein maßgeschneidertes Abendkleid aus zwölf Metern Dupionseide darstellte.
Aktuell geeignet als Ergänzung für festliche Kleidung sind natürlich aufwendige Spitzentücher und -stolen. Manches davon würde ich sogar als ungeeignet für den täglichen Gebrauch ansehen, beispielsweise mein “In Dreams”-Tuch, in das über 4.000 Perlen eingestrickt sind. Mit so einem Tuch lässt sich übrigens auch ein schlichteres Outfit aufwerten.
Etwas skeptisch bin ich bei kompletten gestrickten oder gehäkelten Abend- oder Brautkleidern. Die allermeisten, die ich bislang gesehen habe, wären mir von der Struktur her nicht fein genug. Das ist aber eine rein persönliche Meinung. Es gibt genügend Bräute und auch genügend spezielle Anlässe, bei denen es nicht gar so feingliedrig zugehen muss oder bei denen sogar eine etwas rustikalere Optik erwünscht ist.

Die verstrickte Dienstagsfrage Woche 25/2015

Diese Woche schreibt das Wollschaf:
Wer hat es nicht schon einmal erlebt: Brav eine Maschenprobe gestrickt und das fertige Strickstück passte später doch nicht 🙁
Welche Tipps habt ihr für eine exakte Maschenprobe?
Und an alle, die auf einem großen Stück grundsätzlich lockerer oder fester stricken als bei ihrer Maschenprobe: Wie handhabt ihr diese Abweichungen; was macht ihr, damit es zum Schluß trotzdem passt?

Maschenproben sind quasi ein Hobby von mir. Ich stricke sie gern, und mir fällt es schwer nachzuvollziehen, weshalb so viele Leute keine Maschenproben mögen. Sie sind wie kleine, abgeschlossene Projekte, die man sehr schön zwischendurch einschieben kann, wenn man gerade wenig Zeit hat oder z.B. auf der Busfahrt zur Arbeit nur maximal ein Knäuel Garn mitnehmen möchte.

Viele Strickerinnen lieben kleine Projekte und haben Angst vor großen Teilen, die passen sollen und deshalb eine funktionierende Maschenprobe voraussetzen. Weshalb also nicht die Maschenprobe selbst als Projekt betrachten? Sie ist klein, überschaubar und nützlich und kann zur Not immer noch als Spüllappen fungieren. In einem Unternehmen würde man so etwas übrigens als “Pilotprojekt” deklarieren. 🙂 Und wenn es dabei Probleme gibt, kann man sie relativ risikolos ausmerzen, bevor sie das eigentliche, große Projekt scheitern lassen.

Damit eine Maschenprobe aussagekräftig ist, muss sie groß genug sein. Zwanzig Maschen anschlagen, zehn Reihen stricken und dann so zurechtziehen, dass es irgendwie hinkommt, das reicht höchstens bei sehr dicken Garnen. Es sollten so viele Maschen und Reihen sein, dass man später im mittleren Bereich, ohne Randmaschen, bequem über 10 cm Breite auszählen kann. Bei komplexeren Mustern strickt man zwischen den Randmaschen mindestens einen vollen Mustersatz; zwei sind besser. Bei feinem Gestrick sind das dann eben auch mal 40 Maschen und 60 Reihen oder noch mehr. Aber hinterher hat man beispielsweise einen wunderschönen, exquisiten Spüllappen, das allein sollte doch schon die Mühe wert sein. Die eine Stunde fürs Probestricken ist außerdem nichts im Vergleich mit den vier Wochen, die man an einer Jacke strickt, die dann nicht passt.

Zusätzlich erlaubt so eine Probe, sich mit speziellen Stricktechniken auseinanderzusetzen und z.B. verschiedene Randmaschentechniken zu testen. Wenn sich dann herausstellt, dass sich aus einer Kante nur mühsam die Maschen für die Knopfblende herausstricken lassen, kann man beim “großen” Projekt gleich auf eine bessere Methode umstellen.

Außerdem sollte eine Maschenprobe natürlich gewaschen werden, und zwar genau so, wie man später das fertige große Teil waschen will. Extrem wichtig finde ich das bei Naturfasern. Leinen, Seide und bestimmte Merinoqualitäten können sich in der ersten richtigen Wäsche ganz erstaunlich verändern, sowohl in der Haptik als auch in den Maßen. Üblicherweise fängt das Leben von Selbstgestricktem überhaupt erst nach der ersten Wäsche richtig an. Also sollte man sämtliche Bemaßungen und Berechnungen auf diese Zeit abstimmen. Wer ganz sicher gehen oder nur mal ein bisschen staunen will, strickt zwei gleiche Proben, wäscht nur eine davon und vergleicht dann mal.

Maschenprobenhassern, die auch mit den besten Argumenten nicht zum Probestricken zu bewegen sind, empfehle ich, möglichst immer mit denselben Garnqualitäten zu stricken. Dann kann man nämlich die früheren Projekte als große Maschenproben verwenden. Ich bin zwar keine Maschenprobenhasserin, aber ich messe trotzdem gern fertige Pullover aus, bevor ich Modelle aus dem gleichen Garn nochmals, z.B. in einer anderen Größe, stricke. Auf diese Weise habe ich exzellente, sehr präzise Maschenproben fix und fertig im Vorrat. Unnötig zu betonen, dass das natürlich nur funktioniert, wenn man sein Gestrick nicht umgehend nach Fertigstellung wieder aufribbelt oder in die Tonne tritt, weil es nicht so geworden ist, wie man sich das vorstellte.

Jedes misslungene Modell ist eine reichhaltige, einzigartige Quelle für die Fehleranalyse. Aber aus Fehlern erst einmal möglichst viel zu lernen, bevor man sie entsorgt, ist bei Strickerinnen leider immer noch recht wenig verbreitet.

Optimierte Version

Vor zwei Jahren beteiligte ich mich an dem etwas wahnwitzigen Vorhaben, innerhalb eines Jahres 13 (in Worten: dreizehn) Projekte aus bis dato nicht genutzten Strickbüchern anzufertigen. Dafür gab es auch eigens eine Ravelry-Gruppe, die aber mittlerweile eines natürlichen Todes gestorben ist.

Leider wurde ich mit meinen 13 Projekten doch nicht ganz fertig, weil mich zwischendurch immer wieder der Drang überkam, etwas Ungeplantes anzufangen oder weil sich aktuell Bedarf zeigte, der durch die fein säuberliche Planung nicht gedeckt werden konnte. Merke: Planung bedeutet, den Zufall durch den Irrtum zu ersetzen.

Aber ich schweife ab. Eines der Modelle, die ich anlässlich der Projektserie “13aus13” gestrickt hatte, war aus dem Rowan-Magazin Nr. 26 von 1999 die Jacke “Trance” von Kim Hargreaves. Das ist ein schönes, tragbares Modell. Es hat für mich nur einen kleinen Nachteil: Es ist nicht besonders lang, sondern reicht gerade bis über die Taille. Normalerweise trage ich meine Jacken gern ein wenig länger, weil meine Taille leider nicht mehr das ist, was sie vor 30 Jahren mal war. Aber als Strickerin hat man ja die Möglichkeit, solche Details anzupassen. Die erste Jackenversion passt, abgesehen von der Länge, ausgezeichnet; den Schnitt hatte ich seinerzeit bereits in das Programm DesignaKnit übertragen; meine Maschenprobe lag vor; ausreichend Garn der gleichen Qualität hatte ich auch noch im Vorrat. Ich musste also nur in DesignaKnit die Leibteile um 10 cm nach unten verlängern und die Maschen und Reihen vom Programm neu berechnen lassen und konnte dann losstricken beziehungsweise den KG-Schlitten in Marsch setzen.

Da der nicht der schnellste ist und ich ihn grundsätzlich nur unter Aufsicht laufen lasse, dauerte es dann doch mehr als einen Monat, bis die optimierte Zweitversion endlich fertig war. Und dann verging nochmals eine Woche, bevor ich Zeit fand, mein bevorzugtes Knopfgeschäft aufzusuchen. Aber nun ist Trance 2 fertig, wurde auch schon getragen und hat seine Praxistauglichkeit bewiesen.

Jacke in Lang-Version

Modell: “Trance” von Kim Hargreaves, erschienen 1999 im Rowan Magazine 26, Ärmel gegenüber dem Originalschnitt verkürzt um 3 cm, Leibteile verlängert um 10 cm. Verbrauch: Ziemlich genau 450 g (drei Stränge) Wollmeise “Pure” in Farbe We’re Different 47Ag. Einen Strang nahm ich fürs Rückenteil, einen für beide Vorderteile sowie die Knopfblenden und den dritten Strang für die Ärmel. Gestrickt wurde auf Brother KH 965 durchgehend mit Elektrik-Schlitten KG 95 für das Muster mit den Kraus-Streifen.

Die verstrickte Dienstagsfrage Woche 21/2015

Diese Woche fragt das Wollschaf:
Strickschrift oder das Muster reihenweise in Worten beschrieben – was ist Dir lieber und warum?
Gibt es ggf. bestimmte Arten von Strickschriften, die Du bevorzugst?
Was machst Du, wenn Dein Wunschmodell keine Strickschrift bzw. keine Beschreibung in Worten hat? Durchkämpfen, umändern oder ganz verzichten?

Wenn irgend möglich, bitte Strickschrift beziehungsweise Diagramm. Da kann man schon vor dem Anschlagen visualisieren, wie sich beispielsweise ein Lochmuster aufbaut. Und wenn man einen Fehler hineingestrickt hat, findet man ihn wesentlich schneller, wenn aus dem Diagramm ersichtlich ist, wie z.B. Abnahmen oder Lochreihen verlaufen müssen. “Textaufgaben” finde ich unpraktisch und mühsam, schon weil man sich da nicht gut eine Linie auf die Reihe legen kann, die gerade in Arbeit ist, und weil der Aufbau eines Rapports nicht sofort erkennbar ist.

Welches “Alphabet” für eine Strickschrift verwendet wird, ist mir dagegen weitgehend egal, solange die Zeichen verständlich erklärt und in sich schlüssig sind. Ich habe meine ersten Strickerfahrungen mit der Burda-Strickschrift gemacht, die bei manchen Zeichen und Maschen-Manipulationen durchaus nicht intuitiv ist. Aber sie war seinerzeit sehr verbreitet; man lernt es schnell, sie zu lesen; und es können wirklich alle denkbaren Maschenvarianten damit abgebildet werden. Mir gefallen auch die japanischen Strickschriften gut. Ich habe mehrere japanische Musterbücher, die alle einen einheitlichen “Zeichensatz” haben, und darin werden auch komplexe Strickvorgänge mittels Zeichnungen erklärt. Wenn jemand jedoch meint, partout eine exotische Strick-Geheimschrift selbst erfinden zu müssen, um etwas ganz Besonderes vorweisen zu können, dann kann seine Anleitung mir gestohlen bleiben.

Modelle ohne Strickschrift, die also nur in Worten beschrieben sind, stricke ich ungern oder gar nicht. Bevor ich mir fünf Seiten Textwüste ohne Strickschrift oder Schnittschema antue, denke ich mir lieber selbst etwas Eigenes mit ähnlicher Anmutung aus. Das ist dann vielleicht nicht das Original, aber einfacher und überschaubarer zu stricken und meistens noch mit besserer Passform, da von vornherein für meine eigenen Maße berechnet.

Antizyklisch stricken

Zwar sind derzeit sämtliche Strickhefte voll mit angeblich leichten, aber in Wirklichkeit nahezu kiloschweren “Sommerpullovern”, die einen allein schon durch ihr Gewicht ins Schwitzen bringen. Und wo ich wohne, gibt es im Sommer regelmäßig längere Hitzeperioden mit Temperaturen über 30°. Den ersten heißen Tag hatten wir dieses Jahr sogar schon. Trotzdem kann man aber schon mal für den Winter oder auch nur für kühle Sommerabende vorsorgen, indem man Pullover strickt, die mit etwa der Hälfte des Gewichts eines lochgemusterten Sommerschwergewichts aus einer handelsüblichen deutschen Strickzeitschrift auskommen, aber mindestens dreimal so gut wärmen und zudem bürotauglich sind. Trotz Lochmuster.

Dieser Pullover wurde schon Ende April fertig, aber ich hatte ihn schnell in den Schrank geräumt und dann fast vergessen, bis es neulich abends mal wieder recht kalt war:

Pullover mit Rippen-Lochmuster

Gestrickt aus exakt 360 Gramm einer reinen Merinowolle mit einer Lauflänge von 430 Metern auf 100 g, die (denkt Euch hier bitte ein verlegenes Hüsteln) seit Anfang 2001 in meinem Vorrat auf Verwendung wartete. Der Schnitt basiert auf meinem erprobten Langarm-Rundhals-Pullover, die Sorte, die ich am liebsten trage. Das Muster fand ich im Brother Punchcard Pattern Book 5, es ist dort die Nummer 946. Hier noch ein Detailbild:

Rippen-Lochmuster

Obwohl das Buch hauptsächlich Muster für Lochkarten enthält, sind auch einige Muster enthalten, die man ohne jegliche Automatik von Hand arbeitet. Dieses gehört dazu. Eigentlich hat man es hier mit einem simplen 1re-1li-Rippenmuster über neun Maschen zu tun, wobei die Maschen der Nadeln 3 und 7 alle vier Reihen auf die mittlere Nadel umgehängt werden. Zwischen den neun musternden Maschen liegt ein Zwischenraum von neun Linksmaschen; gestrickt wird mit Versatz H. Das Muster lässt sich also ohne großen Aufwand auf jeder Doppelbett-Strickmaschine arbeiten. Man benötigt weder einen Lochmusterschlitten noch spezielle Einstellungen an den Strickschlitten.

Die senkrechten Streifen sind kleidsam und praktisch, wenn man nicht mehr ganz schlank ist. Die Zahl der Linksmaschen zwischen den Streifen kann man je nach Geschmack auch verringern oder erhöhen. Sollte ich das Muster noch einmal stricken, dann würde ich sicherlich darauf achten, keine “angebrochenen” Streifen an den Seitennähten zu haben. Aber auch so ist dies ein bequemes und praktisches Kleidungsstück für den Alltag.