Jammer-Bingo?

Gestern nahm ich zum ersten Mal in meinem Leben an einem „Bingo“ teil. (Die diversen heimlichen „buzzword bingos“ bei Besprechungen und Workshops im beruflichen Umfeld zähle ich vorsichtshalber nicht mit.)

Veranstaltet wurde und wird ein Zahlen-Bingo jeden Dienstagabend von der Firma Hobbii über deren App. Sofern pünktlich eingeloggt, bekommt jeder Teilnehmer eine virtuelle, aber sichtbare Bingo-Karte zugeteilt. Per Zufallsgenerator, so heißt es, zieht dann ein Computer die Zahlen. Praktisch ist, dass diese Zahlen automatisch vom Server auf der virtuellen Bingo-Karte abgehakt werden. Man muss sich also um nichts kümmern, kann nebenbei stricken, fernsehen oder lesen und hat trotzdem die Möglichkeit, Strick- oder Häkelgarn (oder Treuepunkte) gewinnen. Während die Zahlen gezogen werden, erklärt ein Moderator oder, wie gestern, eine Moderatorin, was es gerade zu gewinnen gibt.

Natürlich geht dabei auch gelegentlich etwas schief. Gestern gab es zweimal einen mehrminütigen teilweisen Verbindungsausfall. Was dabei ausfiel, waren Bild und Ton der Moderation. Das Ziehen und automagische Abstreichen der Bingo-Zahlen funktionierte derweil reibungslos weiter, ebenso lief auch der zum Spiel gehörende Chat der Teilnehmer tadellos. Besser gesagt, er überschlug sich schier, und von „tadellos“ konnte eher nicht die Rede sein. Kaum waren nämlich Ton, Bild oder beides verschwunden, rasten unzählige Kurzmeldungen wie „Ton weg“, „Bild weg“, „alles weg“ durch den Chat-Bereich, begleitet von Emojis jeglicher Geschmacksrichtung, und keine 15 Sekunden später kamen die ersten Schimpf-Tiraden hinterdrein. „Unprofessionell“, „niemals aus dem Home-Office“ und weitere wenig freundliche Begriffe flogen über den Bildschirm.

Ich saß derweil friedlich in meiner Sofa-Ecke, neben mir mein Tablet, und nähte von Hand an einem Saum. (Dazu morgen mehr.) Nebenbei wunderte ich mich, weshalb sich ganz normale Menschen über einen Teil-Ausfall so aufregten. Abgesehen von der Moderation lief ja alles ungestört weiter. Zahlen wurden gezogen und strichen sich selbsttätig ab, und auch die Ermittlung eines Gewinners erfolgte automatisch und wurde auf dem Bildschirm angezeigt, ganz zu schweigen vom unaufhörlich flutenden Chat.

Liebe Teilnehmer, die ihr diesen Beitrag wahrscheinlich ohnehin nicht lesen werdet:
Dieses „Bingo“ ist ein Spiel. Ein technischer Ausfall, ob teilweise oder vollständig, ist kein Grund, sich aufzuregen. Womöglich zetert ihr auch, wenn es während der Ziehung der Lottozahlen in eurem Viertel zu einem Stromausfall kommt? Falls ihr es noch nicht wusstet: Jammern oder Meckern hat noch nie eine gestörte Verbindung wiederhergestellt.
Im Gegensatz zu Lotto zahlt man übrigens bei diesem Bingo noch nicht einmal etwas für die Teilnahme. Aufpassen und Zahlen abstreichen sind ebenfalls nicht erforderlich. Man muss nicht einmal im selben Zimmer sein wie das Tablet oder Smartphone, weil ja alles von selbst funktioniert. Wäre das nicht eine grandiose Möglichkeit, eure Nerven (und die der nicht meckernden Teilnehmer) zu schonen und auf Jammern und Schimpfen zu verzichten?

Ich wäre bestimmt nicht die einzige, die das großartig fände.

3 Gedanken zu „Jammer-Bingo?“

  1. sehr schön beschrieben, ich ahbe gestern eineDicherlesung per Zoom erlebt. es waren wohl ca. 4000 Leute angemeldet.
    Und dann ging es los
    „bei mir ist es zu leise“
    „bei mir ist es aber gut“
    „ich kann kaum was hören“
    „hast du shcon die Lautsprecher-Einstellungen überprüft?“
    „also ich ahbe keine Probleme“
    „alles gut bei mir in Dortmund“
    usw.
    sehr schön. dann platzte einem der Geduldfaden und er postete: „können mal die, bei denen es geht, aufhören, im Chat zu posten?!“

  2. Gut, dass die Teilnehmer wenigstens nicht zu hören waren.
    Davon abgesehen: es gibt mindestens drei Möglichkeiten, am PC die Lautstärke zu regeln (an meinem sogar vier), und am Tablet mindestens zwei. Weshalb lernen die Leute nicht, ihre Geräte zu bedienen?

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