Wer heutzutage im Berufsleben steht und gelegentlich Statistiken oder gar Präsentationen erstellen muss, der weiß: In den Unterlagen finden sich zu den verkauften Weihnachtsmännern oder Osterhasen alle erdenklichen Details, über die sich ermitteln lässt, ob die kleinen Roten oder die dicken Goldfarbenen mehr Umsatz gebracht haben, wieviel mehr Quengelware ab einer Verweildauer von drei Minuten in der Kassenschlange abverkauft wird und welche Kassiererin die meisten Lebkuchen über den Scanner geschoben hat. Das ist alles hochinteressant für den Azubi, der noch lernt, wie ein Supermarkt funktioniert.
All dieser Kleinkram interessiert aber den “Executive” in der Konzernzentrale nicht im Entferntesten. Der will wissen, wieviel Umsatz die Filiale in den letzten vier Wochen gemacht hat, wie die Quote per Verkaufs-Quadratmeter ist und welche Produktgruppen den höchsten Deckungsbeitrag dazu geleistet haben. Dafür gibt es die “executive version” des Berichts bzw. der Präsentation.
Bei den Strickerinnen ist es ähnlich.
Es gibt die Anfänger und Detailverliebten, die vor dem Anschlagen ihres Spüllappens erst noch jede Masche persönlich kennenlernen möchten, möglichst mit einem Video, das auch im ausgedruckten zwanzigseitigen PDF ohne Ruckeln abläuft. Das lassen sie sich auch gern ordentlich etwas kosten, solange sie nur das Gefühl haben, dass ihnen auch nicht das kleinste unwichtige Informationsbröckchen vorenthalten wird.
Und es gibt auch in Strickerkreisen die “executives”, die es knapp und klar bevorzugen. Sie können zwischen den Zeilen lesen und sich weggelassene Details selbständig hinzudenken. Sie können nicht nur ohne Zuhilfenahme eines Videos eine Masche wie zum Rechtsstricken abheben, sondern auch Strickmuster von flach auf rund und umgekehrt umsetzen und noch diverse weitere Kunststücke. Im Zweifelsfall reicht ihnen als “Anleitung” ein Schnitt-Diagramm, ein Muster-Diagramm und ein paar Fakten wie Material, Menge und Maschenprobe. Solche Anleitungen gab es übrigens vor 30 Jahren in fast jeder deutschen Strickzeitschrift. Sie nahmen meist weniger als eine halbe Seite ein, und man konnte fabelhaft, platzsparend und problemlos danach stricken. Auch Anfängerinnen strickten so, und mit Erfolg.
Was aber das Wunderbarste ist: Auch die moderne Strickerin kann lernen, sich auf das Wesentliche zu konzentrieren und den Heißluft-Humbug einfach wegzulassen. Macht Euch unabhängig von zwanzigseitigen Anleitungen! Mit etwas Selbstvertrauen und ein klein wenig Übung reduziert Ihr überkomplizierte Bläh-Anleitungen auf die zwei Seiten, die wirklich darin stecken. Überlegt nur mal, wieviel Strickzeit Ihr hinzugewinnt, wenn Ihr vor dem Anschlagen achtzehn Seiten weniger durchlesen müsst. Es lohnt sich!
Und Ihr, liebe Strick-Designerinnen, die Ihr so stolz auf Eure zwanzigseitige Spüllappen-Anleitung nebst Video seid: Wollt Ihr Euch nicht einmal darauf besinnen, dass nicht alle Strickerinnen hirnamputiert sind, dass auch die unerfahrenste Anfängerin Fortschritte im Interpretieren von Anleitungen machen kann, wenn man sie nur lässt, und dass weniger oft mehr ist? Lasst doch versuchsweise mal die Blümchen, die Herzchen und die Dreifach-Erklärungen über siebzehn Seiten weg und ermuntert Eure Kundinnen, ihr integriertes Logik-Modul ruhig mal in Betrieb zu nehmen. Es funktioniert hervorragend und von Tag zu Tag (und von Anleitung zu Anleitung) besser, vorausgesetzt es wird nicht ständig von wohlmeinenden Anleitungsschreibern gestutzt, die Strickerinnen einen IQ vergleichbar mit dem einer Scheibe alten Zwiebacks unterstellen.