Nadelnotstand und Nostalgie

Mit einer Mischung aus Ungläubigkeit und Verzweiflung suchte ich heute nach einer Rundstricknadel Stärke 3 mm, weil ich damit an ein maschinegestricktes Teil von Hand ein Bündchen stricken wollte. Alle möglichen Stärken und Längen waren in meiner Nadelsammlung vorhanden, nur diese eine wollte sich partout nicht finden lassen. Ich erinnerte mich aber deutlich, wenigstens ein Exemplar in dieser Stärke zu besitzen, und zwar schon seit über 20 Jahren. Es war glänzend blank, und so suchte ich nach etwas glänzend Blankem.

Schließlich fand ich diese eine Nadel, allerdings hatte sie sich im Laufe der letzten Jahre verfärbt und war stumpf geworden, so stumpf, daß die Maschen darauf gar nicht recht rutschen wollten. Und ich erinnerte mich an das eine, einzige Projekt, das ich damit hatte stricken wollen. Es hatte Jahre auf dieser Nadel zugebracht, bevor es letztlich in den Müll wanderte: Ein gelb-rot gestreifter Pullunder aus Esslinger “Geisha”.

Die Firma Esslinger wurde schon vor langer Zeit von der Firma Schoeller geschluckt, man nannte sich daraufhin “Schoeller-Esslinger”. Vor nicht ganz so langer Zeit verschmolz Schoeller-Esslinger dann mit Stahlsche Wolle, und jetzt heißt das Unternehmen Schoeller & Stahl.

Ach ja, die “Geisha”. Das war vor über 20 Jahren ein sehr beliebtes und auch relativ preiswertes Flauschgarn aus 85 % Polyacryl und 15 % Mohair mit einer Lauflänge von 175 m pro 50-g-Knäuel. Es wurde mit Nadeln Stärke 3-3,5 verstrickt und ergab damit ein ziemlich lockeres Gestrick von 21 Maschen und 29 Reihen auf 10 cm. Ich glaube, heute würde ich damit nicht mehr stricken wollen. Aber im “Diana”-Heft vom November 1982 (das erste Strickheft übrigens, das ich mir jemals gekauft habe) ist ein Pullover aus diesem Garn beschrieben, der einen sehr interessanten Schnitt mit eingesetzten Puffärmeln hat. Dafür werden jeweils drei Ärmelmaschen zusammen abgekettet, eine sehr pfiffige Lösung, um die Ärmeloberkante ohne größere Verrenkungen einzukräuseln. Vielleicht versuche ich diesen Schnitt irgendwann doch noch mal auf der Strickmaschine umzusetzen.

Garn-Überlegungen

Es gibt Garne, die sehen im Knäuel oder auf der Kone unendlich vielversprechend aus. Verstrickt man sie dann, ist man enttäuscht: Die Garnstruktur kommt nicht richtig zur Geltung, die tollen Farbverläufe verschwimmen zu einem undefinierbaren Mischmasch oder ergeben öde Querstreifen. Das passiert leider auch mit teuren Designergarnen. Eine der größten Herausforderungen ist deshalb meiner Ansicht nach, das passende Projekt für ein bestimmtes Garn zu finden.

Ich habe teilweise seit Jahren allerlei Garne, für die ich immer noch nach DEM optimalen Projekt suche, das ihre Vorzüge bestens zur Geltung bringt und ihre Nachteile gnädig verbirgt. Eines dieser Sorgenkinder ist ein Polyamid-Bändchengarn von Schachenmayr namens “Samoa”, todschick im Knäuel, knallrot, halbtransparent und extrem leicht — 25 g haben eine Lauflänge von 135 m, und gestrickt wird mit Nadelstärke 5 bis 6.

Das ergibt laut Banderole 22 M auf 10 cm, eine Maschenprobe, die man sonst bei Nadelstärke 3,5 bis 4 erwarten würde. Das Gestrick zieht sich nämlich heftig zusammen. Ursache dafür ist die Garnstruktur: Ein sehr elastischer gewirkter Schlauch, der sich um bis zu 20 % dehnen kann. Diese Dehnung schnurrt natürlich nach dem Stricken wieder in den Ursprungszustand zurück. Man strickt und strickt, und das sichtbare Ergebnis ist kaum der Rede wert und ziemlich langweilig. Ich habe es mal mit einer noch größeren Nadelstärke versucht, aber damit wird es durch sein geringes Gewicht wiederum sehr lappig und unregelmäßig.

Noch gebe ich nicht auf. Vielleicht fällt mir doch noch eine Möglichkeit ein, die sechs 25-g-Knäule zu etwas Sinnvollem zu verarbeiten.

“Kleinkram”

Eigentlich stricke ich mit der Maschine am liebsten große Teile. Da merkt man, wie flott es vorangeht. Um fummelige Sachen wie z.B. Fingerhandschuhe mache ich gern einen Bogen, obwohl ich auch die mittlerweile einigermaßen hinbekomme, wenn ich mich konzentriere. An solchen Kleinigkeiten wie Babyschühchen hingegen habe ich mich noch nie versucht. Aber eine Anfrage im Strickforum bewog mich, mich auch damit einmal auseinanderzusetzen.

Ich hatte gehofft, in meinem ganz gewiß nicht kleinen Anleitungsfundus für die Strickmaschine auch Babyschuhe zu finden, aber dafür gab es überhaupt nichts. Ich konnte es kaum glauben. Also analysierte ich Handstrickanleitungen und versuchte, daraus etwas Maschinengeeignetes zu machen. Und siehe da, es erwies sich als gar nicht so schwierig! Besonders freut es mich, daß das Modell, das ich schließlich entwickelte, sich auch für Einbettmaschinen eignet. Auf spezielle Muster kann man verzichten, wenn man selbstmusterndes Sockengarn verwendet.

Für alle interessierten Leser und Leserinnen gibt’s hier die Anleitung.

Alle reden über das Wetter

Ich auch. Ich finde es momentan richtig prima, so um die 20° und mit genügend Regen. 😉 In den vergangenen Wochen war es mir viel zu warm. Als gebürtige Hanseatin bevorzuge ich gemäßigte Temperaturen, möglichst deutlich unter 30° im Schatten. Was darüber hinausgeht, grenzt für mich an Körperverletzung.

Auch zum Stricken fühle ich mich eher inspiriert, wenn es etwas kühler ist. Zur Zeit plane ich eifrig an neuen Projekten herum. Eins ist sogar schon in Arbeit, aus dem weiter unten erwähnten Baumwoll-Leinen-Gemisch. Ich schrieb, es zwei- und dreifädig verstrickt zu haben. Anscheinend verursachte die Hitze bei mir auch eine ernste Dyskalkulie, denn ich hatte mich verzählt. Tatsächlich verwendete ich es in der einen Probe dreifach und in der anderen vierfach. Als die Vierfach-Kone aufgebraucht war, ich neu spulen mußte und schon meinte, ich sei damit fertig, fiel mir glücklicherweise noch auf, daß da noch ein Fädchen fehlte, sonst hätte es leicht ein mittelgroßes Desaster gegeben. Mal schauen, wie weit ich jetzt damit komme.

Außerdem habe ich dabei gelernt, daß Bimbo, der elektrische Wollwickler, nur ungern länger als eine Stunde am Stück wickelt. Danach wird er so heiß, daß man beginnt, um seine Gesundheit zu fürchten. Vielleicht ist er auch Hanseat.

Gute Neuigkeiten

Monika Bauer wird die Strickschule Hamburg übernehmen, in ihren eigenen Räumen in Barsbüttel bei Hamburg natürlich. Sie hat die Schulungen für Dodo Bürkels letzte Kunden übernommen und ist außerdem eine erfahrene Strickerin. Seit mehr als 20 Jahren strickt sie auf Brother Maschinen. Da sie noch keinen Internet-Zugang hat, werde ich die Strickschule-Seiten für sie weiterpflegen. Über die Inhalte entscheiden wir in Kürze.

Ich bin froh, daß es dort weitergeht. Es gibt viele Strickerinnen, die nach wie vor auf der Suche nach Hilfe und Kursen sind. Nun habe ich wenigstens für die im Norden eine Adresse, an die ich sie weiterschicken kann.

Viva Paranoia

Die meisten Menschen gehen wohl zu Recht davon aus, daß Handarbeitsinteressierte ein außerordentlich friedfertiges und hilfsbereites Völkchen sind. Ausnahmen sind selten — ich weiß von einigen langjährigen Fehden, die immer noch der Erheiterung ganzer Online-Gemeinschaften dienen — und beruhen nach meinem Kenntnisstand eher auf persönlichen Animositäten als auf einem bösartigen Naturell.

Es gibt da aber tatsächlich einen Händler (oder ist es eine Händlerin? Nein, zu einer Frau paßt so ein Verhalten nicht wirklich), der seinen Internet-Besuchern vor allem unterstellt, sie seien asoziale Online-Rowdies, die nichts als Unfug und Ruhestörung vorhaben. Wie böse das ist und daß man so etwas nicht tun darf, erläutert er allen, die sich in sein Online-Forum verirren, das folglich den Charme eines mittelalterlichen Folterkellers ausstrahlt. Wer sich auch nur mit dem Gedanken eines Fehlverhaltens trägt, dem werden vorsorglich schon mal schlimmste Strafen inklusive Online-Pranger und virtueller Exkommunikation angedroht, so wie man früher dem armen Delinquenten die Folterwerkzeuge zeigte.

Was um alles in der Welt verspricht sich der Besitzer von Stricknadel-Schmitzens virtuellem Handarbeits-Pranger davon, die Leute so massiv von der Benutzung seines Forums abzuschrecken, daß sich innerhalb eines Jahres gerade mal zehn Unerschrockene getraut haben, ein knappes Dutzend Nachrichten zu verfassen?

Kleine Freuden

Manchmal ist es ja absurd, über welche Kleinigkeiten man sich riesig freuen kann. 🙂 Heute rief mich Maren K. aus dem Norden an. Sie versucht, die Restbestände von Dodos Strickschule in gute Hände zu vermitteln. (Keine Hektik, die Rosinen sind bereits herausgepickt, z.B. von der übereifrigen Dame aus W., die sich, wie mir berichtet wurde, mit sicherem Griff sofort sämtliche verfügbaren Nadelsperrschienen und Doppelbettgewichte unter den Nagel riß, Dodos Sohn dafür ein Trinkgeld in die Hand drückte und von dannen zog. Man konnte sie gerade noch daran hindern, auch noch alle verbliebenen Ersatznadeln und verschiedene andere lose Teile mitgehen zu lassen.)

Wo war ich stehengeblieben? Ach ja. Also, Maren versucht, die Reste gegen ein kleines Entgelt an solche Leute zu vermitteln, die etwas damit anfangen können und nicht nur fleddern wollen. Speziell sind noch mehrere Formstricker vorhanden, die ein neues Zuhause gebrauchen könnten. Formstricker, das sind die Dinger mit den großen Folien, auf die man den gewünschten Schnitt in Originalgröße aufzeichnet, dann stellt man das Gerät gemäß Maschenprobe ein, und der Schnitt läuft sozusagen während des Strickens mit. Besonders gut sind sie nach meiner Erfahrung für Intarsiendesigns geeignet. Man malt einfach die Form auf, die man einstricken will, und voilà, genau so kommt sie dann heraus, ohne Rechnen und ohne Verzerrungen. Falls jemand also günstig so ein Gerät haben will, einfach bei mir melden, ich vermittle dann den Kontakt zu Maren.

Und was hat nun bei mir eine Riesenfreude ausgelöst? Vor einem halben Jahr habe ich den Doppelbett-Arbeitshaken meines Grobstrickers kaputtgemacht, übrigens bei dem Versuch, den farbigen Markierungsring von einem gebrauchten elektrischen Zahnbürstchen zu lösen, um ihn auf ein neues Bürstchen zu setzen. Seither benutze ich vorsichtshalber ein unmarkiertes Bürstchen und kann allen elektrischen Zahnbürstenbenutzern nur dringend davon abraten, Strickmaschinenwerkzeuge zweckzuentfremden.
Kommen wir auf den Punkt: Unter den vielen kleinen Teilen fand Maren just das, was mir fehlte. Sobald es mich das nächste Mal wieder in den Norden verschlägt, wartet dort auf mich ein neuer Arbeitshaken, und mein Werkzeug ist dann wieder komplett.

Das Waschen macht den Unterschied

Kürzlich habe ich mit einem Baumwoll-Leinen-Gemisch experimentiert, von dem ich eine ziemlich große Menge habe. Es ist zu dünn, um es einfach zu verstricken, deshalb habe ich es sowohl zwei- als auch dreifach gespult verstrickt und natürlich gewaschen — man wird ja vorsichtig.


Das Bild zeigt zwei Proben. Die kleinere besteht aus zwei Fäden, und ich habe sie im Schonwaschgang bei 30° gewaschen. Die Farben blieben unverändert, eine Art Beigemeliert. Die darunterliegende, größere Probe, dreifädig verstrickt, warf ich versuchsweise mal mit in die 60°-Wäsche. Wie bei Baumwolle und Leinen nicht anders zu erwarten, überstand sie diese “Tortur” problemlos, allerdings bleichte das Material, vermutlich infolge des stärkeren Waschmittels, etwas aus zu einem nicht ganz so lebendigen, aber dennoch sehr ansprechenden Natur-Ton.

Diese etwas dickere Probe hat mehr Substanz und Griff und dürfte sich besser für Kleidungsstücke eignen, die die Form halten sollen. Das dünnere Dingens fällt lockerer und wirkt weniger stabil.

Ich könnte mir gut vorstellen, das fertige Gestrick (was immer es einmal werden mag, noch gibt es keine konkreten Pläne) später in der Waschmaschine mit handelsüblichen Textilfarben zu behandeln, um eine größere Farbvielfalt zu erreichen.

Man sollte zählen können…

Der Graue (ich habe bereits erwogen, ihn “Gandalf” zu nennen, aber das entspricht nicht wirklich seinem Naturell) macht Fortschritte. Es wurde Zeit für die Halsblende.

Halsblenden stricke ich am liebsten nach Methode 13 aus dem Kragen-Buch. Dafür berechnet man zunächst, wieviele Maschen man benötigt, strickt dann die Blende in der gewünschten Höhe und hängt danach die Halskante von Vorder- und Rückenteil dazu, um zu guter Letzt alles zusammen abzuketten.

Ich zählte die Rückenteil-Maschen ab: 30 offene Maschen und je zwei pro Seite bis zur Schulter, machte 34 Maschen. Ich zählte gleichermaßen die Vorderteil-Maschen ab: 26 offene Maschen, plus 12 für die seitlichen Kanten. Fröhlich schlug ich 72 Maschen an und strickte meine Blende, die Kanten dazugehängt und — dumm aus der Wäsche geguckt: Es fehlten exakt 12 Maschen bei der Blende. Ich hatte in meinem Elan nämlich nur eine Seitenkante mitgerechnet.
Jetzt darf ich alles wieder aufziehen.

Manchmal habe ich den Eindruck, dieser Pullover sträubt sich mit allen ihm zur Verfügung stehenden Mitteln gegen seine Entstehung.