Maschenproben umrechnen

Achtung, dieser Beitrag ist nicht ohne Bosheit und zudem ziemlich lang!
Als ich (vor vielen Jahren) mit dem Stricken begann, konnte ich mir nicht das teure Garn leisten, das in den Anleitungen angegeben war. Und mit dem preiswerteren Ersatz kam ich eigentlich nie auf die benötigte Maschenprobe.

Zum Glück war mir aber seit meiner Schulzeit das Prinzip der Dreisatz- oder Proportionalrechnung vertraut. Außerdem gab es zu fast jeder Anleitung eine bemaßte Schemazeichnung. Meine eigene Maschenprobe und die angestrebten Maße reichten mir aus, um praktisch jeden Schnitt auf mein Garn und mein Muster umzurechnen. Die Original-Maschenprobe aus der Anleitung? Wurscht. Uninteressant.

So simpel denken neue StrickerInnen heutzutage nicht mehr. Nein, sie möchten von der ursprünglichen auf ihre eigene Maschenprobe umrechnen, ohne einen Gedanken an Maße zu verschwenden. Dabei ist das um einiges komplizierter als meine altbewährte Methode. Aber wie sagte schon vor langer Zeit mein Mathe-Lehrer: „Warum einfach, wenn’s auch kompliziert geht?“

Aktuelles Beispiel gefällig? Die Maschenprobe von 18 M und 24 R in der Anleitung soll umgerechnet werden auf 26 M. (Dass man auch Angaben zu den Reihenzahlen benötigt, ist der Fragestellerin offenbar nicht bewusst. Nun ja, spätestens beim Halsausschnitt wird sie merken, dass Reihenzahlen nicht trivial sind.) Rechnen wir also um, was mit den sparsamen Angaben umrechenbar ist.

Ansatz 1: Pro 10 cm in der Breite benötigt man 8 M mehr. Um die neue Maschenzahl zu ermitteln, müsste man wissen, welche Breite benötigt wird. Angenommen, das Teil soll 50 cm breit werden, das wären
5 * 8 M = 40 M,
die zusätzlich gebraucht werden. Allerdings wurde die gewünschte Breite nicht angegeben. Ansatz 1 ist für sich genommen also für die Katz. Etwas besser wird es, wenn man erfährt, dass bei einer MaPro von 18 M auf 10 cm insgesamt 70 M angeschlagen werden sollen. Die Rückrechnung 70 / 1,8 ergibt eine (wahrscheinliche) Breite von 38,888 cm. 8 M mehr je 10 cm bedeuten also, dass man 31,11 M mehr anschlagen muss. Entsprechend kann man jeden Abschnitt umrechnen, wenn man zunächst ermittelt, wie oft 10 cm in ihn hineinpassen.

Ansatz 2: Versuchen wir es mal mit Prozentrechnung. Zunächst berechnet man, wie viel Prozent Maschen zur ursprünglichen Maschenprobe hinzugefügt werden müssen. Dazu teilt man die Differenz zwischen „alter“ und „neuer“ Maschenprobe durch die „alte“ Maschenprobe und nimmt das Ergebnis mit 100 mal:
8/18 * 100 = 44,444 %
Welche „moderne“ frischgebackene Strickerin, die sich einreden ließ, Frauen könnten nicht rechnen und müssten es auch nicht können, ist bitteschön in der Lage, die Bedeutung dieser Formel zu begreifen, geschweige denn selbst darauf zu kommen? Ich fürchte, für einige ist das schlicht zu hoch. Es erfordert deutlich mehr Nachdenken als eine simple Multiplikation. Und dann muss man auch noch wissen, was man mit dem Ergebnis von 44,4 % anstellen muss, um die eigentliche Aufgabe zu lösen.
Ich verrate es euch: Wenn für die „neue“ Maschenprobe 44,4 % mehr Maschen gebraucht werden als für die „alte“, dann gibt man in den Taschenrechner ein: 70 (seid euch darüber klar, dass es sich hier um Maschen handelt) + 44,4 % = 101,11 Maschen. Wir haben mit Maschen angefangen und enden deshalb auch mit Maschen. Theoretisch kann man nun zu sämtlichen Maschenzahlen, die in der Anleitung erwähnt werden, einfach 44,4 % hinzuzählen, dann hat man Werte, mit denen man arbeiten bzw. stricken kann. Aber wie viel vorherige Prozentrechnung ist damit verbunden? Und wer schon keine Vorstellung vom Dreisatz hat, läuft beim Wort „Prozentrechnung“ vermutlich erst recht in Panik davon.

Viel einfacher ist es, die „alte“ Maschenprobe zu ignorieren und nur mit der „neuen“ und den Schnittmaßen zu rechnen. Aus den spärlichen Angaben der Fragestellerin reassembliere ich mal: Bei einer „alten“ MaPro von 18 M und einem Anschlag von 70 M ergibt sich, wie bereits erwähnt, eine Anfangsbreite von 70 / 1,8 = 38,888 cm. Aus meiner Sicht handelt es sich somit um einen Kinderpullover, aber das ist nebensächlich. Um mit der „neuen“ MaPro auf 38,888 cm zu kommen, rechnet man wie folgt:
38,888 cm * 2,6 (die MaPro für 1 cm) = 101,11 Maschen.
Ach so, einen Schritt habe ich natürlich nicht aufgeführt: Wie man von einer Maschenprobe für 10 cm zur entsprechenden Maschenprobe für 1 cm gelangt. Ich hoffe, jeder kommt selbst drauf. Falls nicht: Man teilt in diesem Fall die 26 M durch 10. Das ergibt 2,6 M. Man kann auch einfach das Komma verschieben, das setzt aber voraus, dass man weiß, ob es nach links oder nach rechts wandern muss.

Um das Ganze zusammenzufassen: Spart es euch, mit Prozent-Änderungen oder ähnlichen Komplifikationen zu kalkulieren. Das ist so unnötig wie ein Kropf. Stattdessen nur die Maschen und Reihen in eurer eigenen MaPro auf 10 cm ermitteln und beides durch 10 teilen. Damit hat man die Werte für 1 cm. Für alle Maschenzahlen werden die Breiten-cm mit dem Maschenwert für 1 cm multipliziert, und für alle Reihenzahlen werden die Höhen-cm mit dem Reihenwert für 1 cm multipliziert. Das ist alles.

Wer es komplizierter liebt, dem steht es natürlich frei, mit Prozent-Änderungen zu arbeiten. Möglicherweise kann man damit auch Maschen und Reihen für Ausschnittrundungen und Schulterschrägungen mit ungeahnter Präzision ermitteln. Ich gebe aber zu bedenken, dass sowohl Maschen als auch Reihen nur als ganz oder gar nicht vorkommen. Auf- und Abrunden sollte man also beherrschen, um nicht an der Abnahme von 2,846 M in 4,35 R zu verzweifeln.

Zu guter Letzt entschuldige ich mich noch bei allen, die sich durch diesen Beitrag beleidigt oder verunglimpft fühlen. Rechenvorgänge wie hier beschrieben kann man lernen, und man kann auch lernen, sie zu verstehen. Lernen ist in jedem Alter möglich; es ist gut fürs Hirn und beugt der Demenz vor.

5 Gedanken zu „Maschenproben umrechnen“

  1. Wie schrieb jemand im Strickforum einmal?
    „Dafür habe ich eine Dreisatz-App“.
    Um diese nutzen zu können, muss bekannt sein, nach welcher Formel berechnet werden will. Und wenn man das weiß, braucht man auch die App nicht.

    Ich rechne gerne mit der Prozent-Variante.

    Ein Fallstrick ist allerdings, wenn die Reihenzahl vernachlässigt wird (und die gewaschene Maschenprobe). Dann kann ein Bolero oder etwas Kniekehlenumspielendes herauskommen.
    Die Wahrscheinlichkeitsrechnung ist eine feine Disziplin. Man kann näherungsweise berechnen, wie groß die Abweichung zwischen gewünschten und tatsächlichen Maßen ist.
    Die Höhe der eigenen Resilienz bestimmt dann das weitere Vorgehen.
    Ausrechnen wäre in jedem Fall schneller gegangen als aufribbeln.

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