Strickzeitschriften

In einer Mailing-Liste wurde neulich angefragt, ob man am Flughafen einer bestimmten deutschen Großstadt wohl internationale Strickzeitschriften findet. Eher nicht, war die Antwort, mit der Begründung (der Ladeninhaber), im Flugzeug dürfe man ja sowieso nicht stricken.

Hallooooo?! (wie mein Kollege P. sagen würde)
Im Flugzeug oder in der Bahn spielt man auch nicht Golf, kocht nicht, bastelt nicht am Computer und guckt nicht Fernsehen, und trotzdem werden an Bahnhöfen und Flughäfen zahllose Zeitschriften angeboten, die solcherlei Aktivitäten nahelegen. Daß man Strickzeitschriften kauft, unterwegs liest und am Zielort losstrickt, scheint undenkbar zu sein.

La donna è mobile

Ja, ich habe praktisch immer mehrere Modelle gleichzeitig in Arbeit, sonst wird’s zu langweilig.

Halb fertig und bis auf weiteres zurückgestellt ist “Lövlund”. Dieser kurzärmelige Pulli aus Seidenbändchen muß warten, bis es wärmer wird.

Seit letztem Frühjahr schlummert “der Dicke” auf den Nadeln, ein selbst entworfener Raglanpullover, dessen Leibteile aus extrem dickem Dochtgarn mit Nadelstärke 20 von Hand gestrickt sind, während die Ärmel aus dünnerer Merinowolle (Lauflänge 150 m auf 50 g) im Rippenmuster auf der Maschine gearbeitet werden. Es fehlt noch ein Ärmel; vor allem aber bin ich mir noch nicht darüber im klaren, wie ich an diese Konstruktion eine ansehnliche Halsblende aus dem dicken Dochtgarn anbringen soll.

Einigermaßen voran geht es mit “St. Enda”. Den ersten Ärmel habe ich am Sonntag fertiggestellt und gleich die Schulterpasse mit Vorder- und Rückenteil verbunden. Dabei habe ich mich zunächst ziemlich blöd angestellt, als ich mit drei Nadeln herumfuhrwerkte. Nach einigen Reihen dämmerte mir zum Glück, daß ich problemlos die vorderen und hinteren Maschen einer Schulter auf eine einzige Rundstricknadel nehmen kann und dazwischen an der Schulterpasse stricke. Beim Stricken der Passe wird in jeder Reihe eine Masche des Vorderteils und eine des Rückenteils eingestrickt, das ergibt eine sehr saubere Linie. In der Anleitung steht zwar, man soll die abgeketteten Kanten annähen, aber weshalb nähen, wenn man stricken kann?

Weitgehend fertig ist “Kolsva”. Alle Teile sind bereits auf der Maschine gestrickt, die handgestrickte Halsblende ist auch dran, und jetzt müssen nur noch die Ärmel- und Seitennähte geschlossen werden. Das Zusammennähen von maschinegestrickten Teilen ist im Prinzip ein Kinderspiel, weil man ordentliche Randmaschen hat. Mir fehlt nur gerade die Zeit für alles. 🙁

Vergangenes Wochenende habe ich aus einem Rest Silk Garden (das Überbleibsel einer Jacke) einen “Edgar”-Schal angefangen. Der hat nun keine besonders hohe Priorität, aber es ist ein nettes Nebenbei-Projekt.

Mehr Kolsva-Kummer

Vorder- und Rückenteil sind mittlerweile fertig, und ich versuchte gestern, die Schulternähte zu schließen, wie gewohnt auf der Strickmaschine. Dummerweise vergaß ich, daß bei diesem Modell die linksgestrickte Seite nach außen kommt. Als ich für die erste Naht die Teile fröhlich rechts auf rechts zusammengestrickt hatte, durfte ich sie also gleich wieder vorsichtig aufmachen, ohne daß sich alles wieder aufribbelte — nicht wirklich spaßig oder empfehlenswert.

Und dann ist da noch ein Wurm in der Anleitung. Die Halsblende stricke ich von Hand an, weil meine Maschine nur 112 Nadeln zur Verfügung hat, und das reicht gemäß Anleitung nicht. Aus dem rückwärtigen Halsausschnitt soll man 24 Maschen aufnehmen und aus dem Vorderteil 110, alles zusammen wird 2 rechts, 2 links gestrickt. Halloooo? Seit wann ist 134 durch 4 teilbar?
Und mit der Zahl der Blendenmaschen gehe ich auch noch nicht so ganz konform. Sie erscheint mir sehr hoch für die Ausschnittweite. Ich werde mal nach meinem Gefühl und Geschmack ein wenig reduzieren, und dann sehen wir weiter.

Kummer mit Kolsva

Das Modell “Kolsva” möchte ich stricken, seit ich Cornelia Tuttle Hamiltons drittes Buch “Noro Revisited” gesehen habe. Inzwischen bin ich meinem Ziel ein kleines Stück nähergekommen. Die Maschenprobe ist fertig und vorsichtshalber sogar gewaschen. Ich habe mit Noro Kochoran auf dem Grobstricker mit MW 8 gestrickt und komme damit exakt auf die geforderten 14 Maschen und 20 Reihen. Da es leider im Anleitungsheft kein Schnittschema gibt, habe ich die Angaben zu Maschen und Reihen (die ruhig etwas ausführlicher hätten sein dürfen) in DesignaKnit übertragen. Im Modus “Original” kann man unter Optionen -> Maßangaben von Zentimeter auf Maschen und Reihen umstellen; das ist enorm praktisch, wenn man nur diese Angaben zur Verfügung hat. Die Schnitte lassen sich damit exakt auf bestimmte Maschen- und Reihenzahlen festlegen.
Irgendwo in der Anleitung ist aber doch wieder mal ein Wurm drin. Entweder ist die Angabe der abzukettenden Restmaschen fürs Rückenteil falsch, oder die Abnahmen für den vorderen Ausschnitt. Ich habe behelfsweise am Armausschnitt etwas korrigiert, damit ich vorn und hinten auf dieselbe Maschenzahl für die Schultern komme.

Außerdem habe ich den Schnitt etwas manipuliert. Das Modell ist für meinen Geschmack nämlich ein wenig kurz geraten (nur 57 cm, ich hätte aber gern mindestens 60), und die Ärmel dürfen auch gern bis zu den Handgelenken reichen. Das Garn ist extrem warm und genau richtig für eisige Tage; daraus einen Pullover mit nur halb langen Ärmeln zu stricken, erscheint mir deshalb ziemlich unpraktisch.

St. Enda

Nachdem ich das Rückenteil in geradezu atemberaubender Geschwindigkeit stricken konnte, brauchte ich fürs Vorderteil doppelt so lange. Immerhin ist es jetzt fertig. Im Gegensatz zur Original-Anleitung habe ich die Ausschnittrundung mit verkürzten Reihen gestrickt und auch die Schultermaschen nur stillgelegt und nicht abgekettet. Ich hoffe, sie später mit der Schulterpasse der Ärmel zusammenstricken zu können. Ein brauchbares Maschen-Reihen-Verhältnis wird sich schon noch finden.

Außerdem habe ich den Ausschnitt schmaler gearbeitet als im Original. Dort waren es insgesamt 20 cm, bei mir wird er nur gut 15 cm breit, damit er später dem eher zierlichen Träger nicht über die Schultern rutscht. Da die Schulterpasse, die von den Ärmeln her kommt, eine Breite von 8 cm hat, wird der Ausschnitt allemal groß genug, um einen durchschnittlichen Dickschädel durchzulassen. 😉

Wie man Fransen an einen Schal bringt

Die Fortgeschrittenen lesen jetzt bitte mal weg, dies ist ein Tipp für die Anfänger unter den Strickern und speziell für die Schal-Stricker.

Aus den Logfiles weiß ich, daß viele Besucher sich hierherverirren, weil sie auf der Suche nach einer Anleitung für Fransen sind. Voilà, hier ist sie:

1. Entscheiden, wie lang die Fransen ungefähr werden sollen.
2. Garn um einen Gegenstand wickeln, der ungefähr so breit ist, wie die Fransen lang werden sollen. Ein Taschenbuch oder eine CD-Hülle eignen sich bestens.
Fransen passend zurechtschneiden
3. Das Garn an einer Kante des Gegenstands durchschneiden. Ihr habt jetzt eine gute Handvoll ungefähr gleich langer Fäden, die gut doppelt so lang sein sollten, wie Ihr Eure Fransen haben wollt.
4. Je nach gewünschter Dicke der Fransen etwa 2-5 Fäden auf einmal fassen und in der Mitte falten, so daß ein “U” entsteht. Mit einer dicken Häkelnadel in die Kante des Schals (oder wo auch immer Ihr die Fransen haben möchtet) stechen und die Mitte des “U” ein Stück durchziehen.
Fransenmitte durch die Kante ziehen
5. Die Enden der Fäden jetzt durch die entstandene Schlaufe durchziehen und festzurren.
Fransenenden durch die Schlaufe ziehen
6. Sind alle Fransen eingeknüpft, schneidet man sie noch auf gleichmäßige Länge, wenn erforderlich.

Das war’s auch schon.

Ich missioniere

Es begann vor einiger Zeit damit, daß eine meiner ausnahmslos netten Kolleginnen diesen Schal

an meinem Hals bestaunte. Einen in dieser Art wollte sie auch gern haben. “Kein Problem”, sagte ich, “das ist einfach zu stricken, nur rechte und linke Maschen; ich mache dir den Anschlag, und den Rest strickst du selbst.”
Nun kam sie an mit drei hühnerfarbenen*) Knäueln “Brazilia Color” und einer 80 cm langen Nadel Stärke 5 mm. Zugegeben, “Brazilia” ist nicht gerade das einfachste Garn, wenn es um einen Möbiusschal geht. Man kann die Maschen 'mang all dem Gefussel kaum erkennen, wie auch die Kollegin inzwischen feststellte. Und eine 80 cm lange Rundstricknadel ist, würde ich mal sagen, das Mindeste, das man sich gönnen sollte, selbst wenn der Schal nur eine geplante Weite von 60 cm haben soll. Mit einer 100-cm-Rundnadel würde es sich noch angenehmer stricken, aber die Handarbeitsabteilung des örtlichen Kaufhäuschens bietet solcherlei Auswahl leider nicht.

Der Anfang ist mittlerweile gemacht, und ich bin gespannt, wie es mit dem Schal weitergeht. Für alle, die es in der Zwischenzeit selbst versuchen wollen: Ich habe 108 Maschen aufgeschlungen und beim Weiterstricken eine Runde von 215 Maschen (es muß eine ungerade Zahl sein) auf die Nadeln genommen. Gestrickt wird im Perlmuster, immer abwechselnd 1re 1li und in jeder Reihe/Runde versetzt, damit der Schal von beiden Seiten gleich aussieht.

*) Der Begriff “hühnerfarben” stammt von einem meiner ausnahmslos kreativen Kollegen. Als er mir beim Anschlagen der Maschen zuguckte (in der Frühstückspause natürlich, nicht während der Arbeitszeit), fühlte er sich durch die Farbkombination Hellbraun, Natur und Orange spontan an das Federkleid eines Haushuhns erinnert.

Verkettung glücklicher Umstände

Seit heute bin ich Besitzerin einer Heißklebepistole. Das hat eine kleine (etwa 30 Stunden) Vorgeschichte. Gestern fand ich nämlich im Anleitungsheft zum Hauptkatalog von Fischer Wolle die Anleitungen für gestrickte Ketten. Und um diese im Kettenverschluß endzumontieren, wird heißgeklebt.

Ich weiß auch nicht, was mich auf die Idee brachte, es mal mit einer gestrickten Kette zu versuchen. Vor allem war’s wohl die Tatsache, daß ich ein Garn gemäß der Anleitung (z.B. Fischer Scaletta, Lanartus Rio, Rödel Venezia etc., also das leiterförmige Polyamid-Bändchen) zuhause herum(f)liegen hatte. Ungeduldig, wie ich bin, probierte ich, es mit dem Grobi zur I-cord zu verstricken. Und das funktionierte großartig. Der Wickelanschlag ist ein wenig kitzlig, weil man aufpassen muß, das Garn um die vier Nadeln herumzuwickeln, ohne sich in einer Leitersprosse zu verheddern; aber das Stricken war überhaupt kein Problem. Drei Kordeln à 150 Reihen (= 75 gestrickte Reihen) waren schnell gemacht. Eine Schalperle besaß ich natürlich nicht, aber ein paar Fimo-Päckchen lagen da noch irgendwo herum — man soll nie etwas wegwerfen! Also zwei einigermaßen passende Farben herausgefischt und durchgeknetet (morgen habe ich bestimmt Muskelkater in den Unterarmen). Ein bißchen herum-marmoriert, dann über eine 12-mm-Stricknadel vier Riesenperlen geformt und ab in den Backofen damit. Durch die hübscheste (Ihr könnt Euch jetzt vorstellen, wie grauenvoll die anderen aussehen) fädelte ich dann die drei Strick-Kordeln und umwickelte die drei Stränge fest mit einem der Fäden. Dann kam die Heißklebe-Aktion, die Strang-Enden wurden in einen Kettenverschluß geklebt, den ich heute zusammen mit der Kleisterwaffe erstanden habe.

gestrickte Kette aus “Leiter-Bändchengarn”

Hier seht Ihr das Ergebnis. Für einen ersten Versuch finde ich es gar nicht übel. Diese Kette ist übrigens schon “verplant”, eine liebe Verwandte wird sie als Geburtstagsgeschenk bekommen.

Es ist noch reichlich Garn übrig. Und Lust auf mehr Kettengestrick habe ich auch noch. Die Heißklebepistole ist auch ganz heiß auf mehr Gekleister. Problematisch ist nur, daß die Einklebe-Kettenverschlüsse im Bastelladen ausverkauft sind, und vor Weihnachten kommen auch keine neuen mehr herein.

Woher kriege ich jetzt weitere Kettenverschlüsse?

Ein Strickgarn ersetzen

Wer nach einer Anleitung aus einer Zeitschrift, einem Buch oder dem Internet stricken will, kennt das Problem: Nicht immer hat man das Garn zur Verfügung, das in der Anleitung angegeben wird. Und so macht man sich auf die Suche nach einem Ersatzgarn, teils mehr, teils weniger erfolgreich, und gerade die Strick-Anfänger wissen oft gar nicht genau, wonach sie überhaupt Ausschau halten sollen.

Dabei ist es eigentlich ganz einfach, und unsere Strick-Kolleginnen aus den angelsächsischen Ländern machen es uns schon seit langem vor: Das Garn muß dieselbe Maschenprobe ergeben. Mehr nicht! Die Lauflänge und die Zusammensetzung sind, pardon, wurscht. Die Lauflänge kann sogar irreführend sein, also bitte nicht danach richten!
Stimmt jedoch die Maschenprobe, dann kann man sich auch an der benötigten Meterzahl (nicht Gramm!) orientieren, also von Gramm auf Meter umrechnen, die entsprechenden Meter Garn kaufen und kann sich drauf verlassen, daß man genau soviele Meter wie angegeben benötigen wird.

Woher ich das weiß? Ich hab’s mal unfreiwillig ausprobiert, vor unglaublich vielen Jahren (1984, um genau zu sein). In einem Burda-Strickheft fand ich die Anleitung für einen Pullover im Bärentatzenmuster aus dem damals modischen Baumwoll-Bändchengarn.

Pullover im Bärentatzenmuster

Das Garn (80 m auf 50 g, und davon 17 Knäuel) konnte ich mir nicht leisten, aber das Muster gefiel mir, und ich probierte es mit einem Alpakagarn aus dem Sonderangebot (140 m auf 50 g) aus. Beide Garne waren nach üblichen Maßstäben überhaupt nicht miteinander vergleichbar. Zu meinem allergrößten Erstaunen kam ich aber exakt auf die geforderte Maschenprobe aus der Anleitung. Ich strickte den Pullover nach und benötigte weniger als 500 g Alpaka dafür. Er paßte perfekt und war jahrelang einer meiner Lieblingspullis, bis er einmal versehentlich im Wäschetrockner landete.

Was für eine Entdeckung ich damals gemacht hatte, war mir lange Zeit überhaupt nicht klar. Aber es ist wirklich so: Die Maschenprobe muß mit der aus der Anleitung übereinstimmen, dann könnt Ihr jedes beliebige Ersatzgarn nehmen, das diese eine Voraussetzung erfüllt. Anderes Material? Völlig egal. Andere Lauflänge? Nebensächlich. Nur die Maschenprobe muß stimmen, dann braucht man ziemlich genau dieselbe Meterzahl Garn wie fürs Original.

Der Zweck heiligt die Mittel

Es war einmal eine ebenso patente wie organisatorisch begabte Strickerin, die schuf aus einer aktuellen Notlage ein kleines Wohltätigkeitsnetz, um anderen zu helfen. Sie hatte viele Freundinnen, die sie leicht mobilisieren konnte, und gemeinsam arbeiteten alle mit und halfen, was die Nadeln und Wollreste hergaben. Es wurden Muster gefertigt und spezielle Anleitungen geschrieben, und alles wurde kostenlos zur Verfügung gestellt. In der Folge wurde unsere Organisatorin geradezu berühmt und kam sogar in die Zeitung. Dennoch machte sie überhaupt kein Aufhebens um ihre Arbeit, sondern blieb still und bescheiden wie je.

Als es vom zeitlichen und finanziellen Aufwand her für sie unzumutbar wurde, alles allein zu erledigen, gab sie die Organisation in die Hände von zwei ebenso engagierten Frauen, die fürderhin die Sache mit derselben ruhigen Effizienz organisierten. Alles lief wie am Schnürchen.

Das ärgerte eine andere Frau, die ebenfalls gern mal gute Fee genannt sein wollte und überhaupt das Gefühl hatte, niemand habe sie richtig lieb oder lobe sie je genug. Deshalb überlegte sie, wie sie so etwas, wie sie meinte, besser aufziehen könnte. Sie suchte sich zwei Mitstreiterinnen. Aber auch zu dritt war schnell klar, daß sie niemals soviel erreichen würden wie unsere erste Strickerin, die problemlos hunderte von guten Strick-Geistern mobilisiert hatte. Also ersann unsere kleine Nachahmerin einen Trick. Sie ließ eine Website bauen, auf der sie verkündete, wie wunderbar und großartig ihre Aktion sei. Sie stellte niedliche Bildchen auf die Website, die willfährige und unterbeschäftigte Strickerinnen noch willfähriger machen sollten. Und sie nahm die Anleitungen, die frei verfügbar waren, schrieb sie ein wenig um, änderte hier ein Wort und dort einen halben Satz und fand nun, daß sie sie gut als ihre eigenen ausgeben könnte.

Die Website war nun so gut wie fertig, aber es galt noch, Besucher dahinzulocken. Also ging sie dorthin, wo sie sicher sein konnte, andere Strickerinnen zu finden, und hinterließ Nachrichten: Auf ihrer Website sei Info zu dieser wunderbaren und großartigen Aktion, nebst Anleitungen und niedlichen Bildchen, und vor allem gebe es ein Gästebuch, und alle sollten kommen und sich ins Gästebuch eintragen. Dabei sollten sie bitte vor allem angeben, woher sie über diese wunderbare und großartige Aktion erfahren hätten (denn unsere kleine Person war zu dumm, Logfiles auszuwerten, aus denen sie das ebensogut hätte erkennen können). Außerdem sollten sie bitte viel Lob und Zuspruch und Bewunderung hinterlassen, denn danach sehnte sie sich ja besonders.

Und die ersten Besucher kamen. Sie bestaunten die wunderbare und großartige Aktion, die niedlichen Bildchen und die schönen Anleitungen, hinterließen neben der Angabe, woher sie gekommen waren, viel Lob und Zuspruch und machten sich sofort ans Stricken, um der Besitzerin der Website möglichst schnell und möglichst viel Gestricktes zuzusenden. Denn die meisten Strickerinnen sind gutherzig und gutmütig, glauben alles, was man ihnen erzählt und tun alles, was man ihnen sagt, wenn es nur einer guten Sache dient. Ja, ich glaube sogar, sie würden einen Dateianhang mit einem offensichtlichen Virus drin anklicken, wenn man ihnen sagt, daß damit einem frierenden Kind auf dieser Welt geholfen wäre. (Ich kann Euch versichern, daß keinem einzigen frierenden Kind auf dieser Welt durch das Anklicken eines verdächtigen Dateianhangs geholfen wird, sondern Ihr müßt danach nur stundenlang Euren Computer neu installieren, aber das wißt Ihr hoffentlich selbst.)

Unsere kleine Nachahmerin las nun dankbar und glücklich, was ihr die Besucher ins Gästebuch schrieben. Soviel Lob und Zuspruch hatte sie ihr Lebtag nicht bekommen, und endlich fühlte sie sich zufrieden und anerkannt.

Dummerweise kam ihre wunderbare und großartige Aktion auch denen zu Ohren, die im ersten Wohltätigkeitsnetz aktiv gewesen waren. Es tauchten plötzlich unangenehme Bemerkungen auf an den Orten, wo sie alle Strickerinnen einlud, ihre wunderbare und großartige Website zu besuchen. Es kamen peinliche Fragen, woher denn wohl die schönen Anleitungen eigentlich stammten. Aber die kleine Person war nicht gewillt, all das Lob und die Bewunderung einfach aufzugeben und behauptete keck, wer hier peinliche Fragen stelle und unangenehme Bemerkungen mache, sei nur neidisch auf ihren wunderbaren und großartigen Erfolg.

Ich weiß nicht, ob diese Geschichte hier zu Ende ist oder ob sie noch weitergeht. Ich kann Euch nur sagen, daß sie wahr ist. Vielleicht ist sie der Beweis dafür, daß Frechheit siegt, der Zweck tatsächlich die Mittel heiligt und manche Menschen eben so wenig liebgehabt werden, daß sie ihr Geltungsbedürfnis auf andere Weise befriedigen müssen.